Frauenverdienstkreuz des Bertha-Ordens. 2. Ausgabe, Anfertigung der Firma C. F. Zimmermann in Pforzheim aus dem Jahre 1918, Bronzeguß (dennoch zweifelsfreies Original-Exemplar - siehe Anmerkungen vor dieser Kat.-Nr.), dunkel gebeizt, mit verlötetem B
DEUTSCHE ORDEN UND EHRENZEICHEN
SAMMLUNG GUNTHER WIEGREBE: ORDEN UND EHRENZEICHEN DES FÜRSTENTUMS UND FREISTAATS LIPPE
Zurück zur Listenansicht
Von außerordentlicher Seltenheit. Aufgrund der Drahtöse läßt sich unzweifelhaft die Firma C. F. Zimmermann in Pforzheim als Hersteller identifizieren, die, nachdem die zwölf von Godet angefertigten Exemplare verliehen waren, laut Schwark (in SK S. 82) im Jahre 1910 noch einmal fünf Exemplare hergestellt hat, von denen bis zum 11. November 1918 noch drei verliehen wurden.
Keine Regel ohne Ausnahme - Zur Frage von Guß-Anfertigungen originaler lippischer Auszeichnungen durch J. Godet & Sohn in Berlin und C. F. Zimmermann in Pforzheim.
Im Verlauf der Bearbeitung dieser Sammlung ergab sich für den Bearbeiter die Frage, ob es sich bei dem folgenden Exemplar des Frauenverdienstkreuzes und den beiden Exemplaren der Frauenverdienstmedaille, die eindeutig und unzweifelhaft Spuren einer Herstellung im Gußverfahren aufwiesen, tatsächlich um Kopien oder Fälschungen handelte, wie wohl jeder Kenner der Materie zunächst annehmen würde, oder etwa doch um Original-Exemplare.
Zunächst konnte bei der Überprüfung des Angebotes in den Katalogen einschlägig bekannter Auktionshäuser aus den 1970er und 1980er Jahren kein reiches Vorkommen von Exemplaren des Frauenverdienstkreuzes und der Frauenverdienstmedaille festgestellt werden. Und dies trotz des jeweils vorhandenen Angebots zahlreicher Insignien der verschiedensten Klassen des Fürstlich Lippischen Hausordens, des lippischen Leopold-Ordens und der Lippischen Rose, Ehrenzeichen bzw. Ordens für Kunst und Wissenschaft. Diese Kataloge liefern aufgrund der Häufigkeit des Angebots an selteneren oder seltenen Orden und Ehrenzeichen nicht nur der deutschen Staaten, sondern auch einiger europäischer wie auch überseeischer Ordensinsignien, die sich, wie man heute allgemein weiß, als Guß-Fälschungen aus den 1970er Jahren erwiesen haben, wertvolle Indikationen dafür, wann welche Fälschungen auf dem Markt aufgetaucht sind. Solche Auktions-Nachweise bewirken einen grundsätzlichen Erstverdacht bezüglich der Originalität bestimmter Objekte, weil sie darüber Auskunft geben, welche Stücke tatsächlich gefälscht wurden und als vermeintliche Original-Exemplare mehrfach oder gar zahlreich in den Handel gelangten.
Dies mußte schließlich bei der aufmerksamen Sammlerschaft zu dem Schluß führen - abgesehen von einigen in geringer Anzahl ausgegebenen Auszeichnungen für die Befreiungskriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts - daß Guß-Herstellung immer gleich auch Fälschung bedeutet, gemäß der einfach formulierten Gleichung "Guß = Fälschung".
Die in der technischen Entwicklung der letzten Jahre begründete fortschreitende Verfeinerung und stetige Verbesserung der Aufnahmequalität, auch und gerade im Bereich der digitalen Photographie, hat nicht nur dazu geführt, daß zahlreiche Objekte, deren Teile eigentlich als geprägt und damit als original gegolten hatten, tatsächlich als gegossene Fälschungen entlarvt werden konnten, sondern auch dazu, daß man sich heute viel intensiver sowohl allgemein als auch speziell mit der Herstellung und den damit einhergehenden handwerklichen Vorgängen beschäftigen kann.
Zu Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts haben sich im Deutschen Reich, begründet durch die Bismarcksche Sozialgesetzgebung, auch die Lebensverhältnisse der Arbeiter, Handwerker und Kunsthandwerker im Allgemeinen verbessert. Der Anstieg ihrer Löhne führte natürlich auch, wenn dieser nicht durch technische Rationalisierung ausgeglichen werden konnte, zu einer Verteuerung ihrer Produkte. Dies zeigte sich besonders im Bereich des Kunsthandwerks, in dem technische Rationalisierung nur bedingt kostensenkend wirken konnte. Wollte man ein qualitativ hochwertiges Produkt haben, war nach wie vor viel Handarbeit und damit viel Zeit im Spiel, was natürlich eine Erhöhung der Produktionskosten bewirkte.
Wenn man in diesem Zusammenhanghang die Kosten für die komplizierte Herstellung von Prägestempeln betrachtet, woran sowohl Künstler als auch Kunsthandwerker mit viel Handarbeit beteiligt waren, fällt auf, daß auch die Kosten hierfür von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 stetig gestiegen sind, wie man durch die Erforschung von einschlägigen Rechnungsbelegen (vor allem im Bereich der Numismatik und der Medaillenkunde) in den verschiedenen Archiven feststellen kann.
Damit einher ging aber auch im gleichen Zeitraum ein stetig zunehmendes Kosten-Bewusstsein auf Seiten der Auftraggeber. Gleichzeitig darf auch nicht unberücksichtigt gelassen werden, daß im Bereich der staatlichen Orden und Ehrenzeichen der deutschen Länder in demselben Zeitraum deren Verleihungen in einem stetigen Maße zugenommen haben, worüber verschiedenste tabellarischer Aufstellungen in der in jüngerer Zeit erschienenen Fachliteratur beredt Auskunft geben. Auch dies hat natürlich zu einem deutlichen Anstieg der staatlichen Ausgabe für das Auszeichnungswesen geführt.
Der teilweise erhaltene Schriftverkehr in den verschieden Archiven belegt deutlich, wie zunehmend für die Herstellung von Ordensinsignien und Ehrenzeichen verschiedene Angebote eingeholt wurden, wovon oft das preiswerteste den Zuschlag erhielt. Es versteht sich von selbst, daß man immer mehr sowohl preiswertere Materialien zur Herstellung gebrauchte, als auch versuchte, die Herstellungskosten in anderer Weise zu senken, letzteres besonders bei Auszeichnungen, die in sehr niedriger Auflagenhöhe bestellt wurden.
Es ist eine Tatsache, daß die Herstellung einer Gußform, die ja nicht einem schweren Prägedruck ausgesetzt werden musste, weitaus weniger zeitaufwändig und damit deutlich kostengünstiger war als die komplexe Herstellung eines Prägestempels, was sich natürlich bei niedrigen Auflagenzahlen auch auf die Stückkosten der zu liefernden Objekte auswirkte. Darum ist es durchaus plausibel, daß für die Herstellung insbesondere rangniedrigerer Auszeichnungen in geringer Auflage eben auch ein Gußverfahren zur Herstellung in Betracht gezogen werden kann und muß.
Wenn man zum Ausgangspunkt dieser Anmerkungen, dem Frauenverdienstkreuz und der Frauenverdienstmedaille des Fürstentums Lippe zurückkehrt, drängt sich einem genau dieser Verdacht buchstäblich auf. Laut Schwark (in SK S. 82 und 83) wurden vom Frauenverdienstkreuz von der Firma J. Godet & Sohn in Berlin nur zwölf Exemplare im Jahre 1910 und von der Firma C. F. Zimmermann in Pforzheim nur fünf Exemplare im Jahre 1918 hergestellt bzw. geliefert, und von der Frauenverdienstmedaille von der Firma J. Godet & Sohn in Berlin nur 24 Exemplare im Jahre 1910 und von der Firma C. F. Zimmermann in Pforzheim nur zehn Exemplare zwischen 1918 und 1922. Ebenfalls laut Schwark (in SK S. 82 und 83) erfolgten vom Frauenverdienstkreuz zwischen dem 25. Oktober 1910 und dem 11. November 1918 nur 15 Verleihungen, und von der Frauenverdienstmedaille zwischen dem 30. Mai 1910 und dem 15. März 1918 nur 20 Verleihungen.
Ein optischer Vergleich eindeutiger und zweifelsfreier Original-Exemplare mit den zu bearbeitenden Stücken dürfte eine Lösung des Problems bieten. Und hier war jetzt ein Experte wie kein anderer für die Auszeichnungen des Fürstentums Lippe gefragt, der auf Anfrage die entsprechenden digitalen Original-Aufnahmen aus seinem umfangreichen Werk (in SK S. 82 und 83) sofort zur Verfügung stellte: Reiner Schwark.
Und in der Tat: Auf diesen hochauflöslichen Photographien der Exemplare des Staatsarchivs Detmold bzw. des Lippischen Landesmuseums in Detmold bzw. aus den Sammlungen des Schlosses Detmold sind eindeutig Gußmerkmale festzustellen, ganz ähnlich denen der im Folgenden angebotenen Stücke.
Somit kann eindeutig und unzweifelhaft festgestellt werden, daß diese Stücke, alle mit eindeutiger und unzweifelhafter Provenienz, in einem Gußverfahren von den genannten Firmen hergestellt wurden, weil sie die entsprechenden Merkmale aufweisen. Und somit handelt es sich auch bei den durch den Autor beschriebenen und im Folgenden angebotenen Exemplaren eindeutig um originale Anfertigungen.
Es versteht sich von selbst, daß es keinesfalls die Absicht des Autors ist, durch diese Zeilen seltene Gußanfertigungen grundsätzlich als Originale zu deklarieren. Aber es erscheint absolut notwendig, die Gleichung "Guß = Fälschung" dahingehend zu relativieren, daß man die Angelegenheit jeweils differenziert betrachten muß, um zu einer korrekten Einschätzung zu gelangen. Es gilt eben auch hier: Keine Regel ohne Ausnahme!
Michael Autengruber
RRRR II