Johann Friedrich der Großmütige und Moritz, 1541-1547. Silbergußmedaille 1544, Habich II, 1, 1962.
DEUTSCHE MÜNZEN UND MEDAILLEN
SACHSEN, SACHSEN, KURFÜRSTENTUM
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Silbergußmedaille 1544, von Hans Reinhart d. Ä. "Dreifaltigkeitsmedaille". PROPTER - SCELVS - POPV - LI MEI - PERCVSSI - EVM (blumenartige Verzierung) - ESAIÆ - LIII (Jesaja 53, 5: "Er ist um der Missetat meines Volkes willen geschlagen worden") Thronender Gottvater im kaiserlichen Ornat mit Krone, Zepter und Reichsapfel, vor ihm das freie, aufgelötete Kruzifix mit der Taube des Heiligen Geistes; zu den Seiten je ein betender Engel und Engelsköpfe//REGNANTE Û MAVRITIO Û - D Ù G Ù DVCE Û SAXONIÆ zc Ù GROSSVM - HVNC Û LIPSIÆ Û HR (kursiv, verbunden) Û CVDEBAT Ù ANo - Û M Û D Û XLIIII Û MENSE Û IANV Ù ("Als Moritz, durch Gottes Gnade Herzog von Sachsen, regierte, hat H R diesen Grossus in Leipzig geschlagen. Im Jahre 1544, im Monat Januar") Auf einer von zwei Engeln gehaltenen Tafel das athanasianische Glaubensbekenntnis in 22 Zeilen, darüber Schild mit IHS. Mit Randgravur: Û 9 Û o Û M Û Z Ù z Û 9. 102,94 mm; 271,97 g.
Habich II, 1, 1962.
Ein Meisterwerk der deutschen Medaillenkunst des 16. Jahrhunderts. Von allergrößter Seltenheit. Originalanfertigung mit aufgelöteten Details. Kabinettstück mit prachtvoller Patina, fein ziseliert, vorzüglich
Exemplar der Auktion Morton & Eden/Sotheby's, London 8. Dezember 2005, Nr. 42.
Bei der vorliegenden Medaille handelt es sich um eine von etwa 15 bekannten Originalanfertigungen, von denen sich allein zehn im Besitz von Museen befinden, vgl. Steguweit, Wolfgang in: MünzenRevue 12/2012, S. 142.
Hans Reinhart der Ältere gehört zu den außergewöhnlichsten Künstlern des 16. Jahrhunderts. Abseits der bekannten Zentren deutscher Medaillenprägekunst - Nürnberg und Augsburg - schuf er innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums (1535/1545) meisterhafte Medaillen mit den Porträts seiner bedeutenden Zeitgenossen (u.a. Kardinal Albrecht von Brandenburg, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Kaiser Karl V.) und mit religiös-biblischen Bezügen (Sündenfall, Moses am Dornbusch oder Kreuzigung). Dabei ist über den Lebensweg dieses Künstlers nur wenig bekannt: Vermutlich um 1510 wurde er in Dresden (oder Torgau) geboren und ist 1539 als Bürger von Leipzig schriftlich bezeugt. Dort wurde ihm die Aufnahme in die Gold- und Silberschmiedezunft zunächst verweigert, da er nur ein "Tischler" und "Groschengießer" gewesen sei. So musste Hans Reinhart zunächst eine fünfjährige Goldschmiedelehre absolvieren.
Bis zu seinem Tod im Jahre 1581 schuf er wenigstens 26 durch Signatur gesicherte Arbeiten. Weitere 30 Medaillen lassen sich ihm oder seiner Werkstatt stilistisch zuordnen. In den 1530er Jahren hat Reinhart darüber hinaus als dekorativer Holzbildhauer an verschiedenen mitteldeutschen und sächsischen Schloßbauten gewirkt. Offensichtlich beherrschte er also sowohl das Handwerk des Holzschnitzers wie das des Gold- und Silberschmiedes. Seine oftmals mit dem Monogramm "HR" signierten Arbeiten gestaltete er wiederholt nach Bildern des Malers und Graphikers Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553). Im Gegensatz zu den meisten Künstlern seiner Zeit arbeitete Reinhart d. Ä. aber besonders innovativ mit der Einarbeitung vollplastischer Miniaturskulpturen und aufgelöteter Einzelelemente, wie auch bei dem vorliegenden Exemplar (Kruzifix, Bartlocken, Taube und Zepter). Die Dreifaltigkeitsmedaille von 1544 stellt nicht nur das Hauptwerk des Renaissancekünstlers dar, sondern bildet zugleich auch den krönenden Abschluß seines Medaillenschaffens, das wohl mit der Aufnahme in die Leipziger Goldschmiedezunft 1547 endete.
Dieses außergewöhnliche Schaustück erinnert an die besonders von Herzog Moritz vor dem Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges (1546-1547) betriebenen konfessionellen Einigungsbestrebungen zwischen Katholiken und Protestanten, für die das Athanasianische Bekenntnis eine geeignete Grundlage zu bieten schien. War doch die Trinitätslehre für beide Konfessionen ein gemeinsamer Glaubenssatz. Der griechische Kirchenvater Athanasius (295-373) war der Begründer der Lehre von der Einheit Gottes und der Gottheit Christi gewesen. Die Tafelinschrift HAEC EST FIDES CATHOLICA, VT VNVM DEVM IN TRINITATE ET TRINITATEM IN VNITATE VENEREMVR ist dem dritten Satz des Athanasianischen Glaubensbekenntnis entlehnt, die folgenden Worte bis MAIESTAS dem fünften und sechsten Satz desselben (mit unwesentlicher Umstellung), der Schluß O VENERANDA (usw.) ist laut Wilhelm Ernst Tentzel ein Seufzer der alten Kirche und laut Karl Domanig einem kirchlichen Hymnus entnommen. Die Übersetzung der Inschrift lautet nach Wilhelm Ernst Tentzel: "Dies ist der rechte christliche Glaube, daß wir einen einigen Gott in drei Personen und drei Personen in einiger Gottheit ehren. Eine andere Person ist der Vater, eine andere der Sohn, eine andere der Heilige Geist. Aber der Vater, Sohn und Heiliger Geist sind (hier EST = "ist") einiger Gott, gleich in der Herrlichkeit, gleich in ewiger Majestät. Oh, Du hochgelobte Einigkeit. Oh, Du anbetungswürdige Dreieinigkeit. Durch dich sind wir erschaffen, Du wahre Ewigkeit. Durch Dich sind wir erlöst, Du höchste Liebe. Dich beten wir an, Du Allmächtiger. Dir singen wir. Dir sei Lob und Ehre."
Die Vorlagen zur Gestaltung der Medaille entstammen der Graphik und Bauplastik des sächsischen Raumes zu Beginn des 16. Jahrhunderts: Sowohl ein Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553) aus Wittenberg um 1512, als auch die "Schöne Tür" an der Annenkirche in Annaberg und das Portal der Schloßkirche von Chemnitz von Hans Witten (um 1470/80-nach 1522) zeigen das Motiv in leicht abgewandelter Form. Hans Reinhart d. Ä dürfte durch seine Arbeit als Holzschnitzer im sächsischen Raum die genannten Werke seiner kunstschaffenden Zeitgenossen gekannt haben. Möglicherweise handelte es sich auch um eine Auftragsarbeit des 1539 zum Protestantismus übergetretenen Herzogs Moritz von Sachsen. Nach ihm wurde die vorliegende Medaille auch als „Moritzpfennig“ bezeichnet. In diesem Zusammenhang ist der Begriff „Pfennig“ als Synonym für „Medaille“ zu verstehen, wie es heutzutage z. B. in den Niederlanden üblich ist. Dort werden Medaillen „Historiepenningen“ genannt.
Die Beliebtheit der Dreifaltigkeitsmedaille lässt sich anhand der zahlreichen Nachahmungen und Nachgüsse ablesen. Belegt sind Medaillen mit den Jahreszahlen 1544, 1556, 1561, 1566, 1568 und 1574, die teilweise noch auf die Werkstatt des ältesten Sohnes Hans Reinhart d. J. (gest. 1622) oder auf die Initiative privater Gießer zurückgehen könnten. Viele der bekannten Exemplare unterscheiden sich leicht voneinander: Das Kruzifix ist einmal groß das andere Mal klein gearbeitet, in dem Schild über der Tafel der Rückseite ist das sächsische Wappen, aber auch an seiner Stelle das Name-Jesu-Trigramm zu finden. Die Schaumünze ist weiterhin mit und ohne Blätter- und Früchtekranzrahmen belegt. Bei einem Exemplar sind Vorder- und Rückseite getrennt gegossen worden (um auf einem Bucheinband als Appliquen befestigt zu werden) und eine weitere Vorderseite der Schaumünze diente als Deckel einer Hostienbüchse.
Der Wunsch nach einer friedlichen Einigung der Konfessionen und einer Lösung der Glaubensstreitigkeiten war eben auch in den Generationen nach Luther ein zentrales Thema des Kunst- und Geisteslebens. Dafür ist diese prachtvolle Renaissancemedaille ein anschaulicher Beleg.
Literatur:
Domanig, Karl: Die Hans Reinhart'sche Dreifaltigkeitsmedaille, in: Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde in Wien 24, Neue Folge 9 (1913), S. 69-73.
Habich, Georg: Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts, München 1929-1934, Bd. II, 1, S. 278-287.
Kahn, Julius: Die Dreifaltigkeitsmedaille Hans Reinharts, in: Blätter für Münzfreunde 40 (1905), Sp. 3339-3343.
Kuhn, Hermann: Hans Reinhart, ein Meister der mitteldeutschen Renaissance-Medaille, in: Blätter für Münzfreunde 76 (1941), S. 169-184.
Steguweit, Wolfgang: Ein Höhepunkt in der Medaillenkunst der deutschen Renaissance. Die Dreifaltigkeitsmedaille von Hans Reinhart d. Ä. (um 1510-1581), in: MünzenRevue 12/2012, S. 141-147.
Steguweit, Wolfgang: Europäische Medaillenkunst von der Renaissance bis zur Gegenwart, Berlin 1995, S. 23-24 und 94-96.
Scher, Stephen K. (Hrsg.): The Currency of Fame. Portrait Medals of the Renaissance. The Frick Collection, New York 1994, S. 284 und 287-289 (Wolfgang Steguweit).
Tentzel, Wilhelm Ernst: Saxonia Numismatica, Dresden 1705/1714, S. 85-86 und Tf. 8, I-II.