Der Goldstandard: Wie und warum Gold zum wichtigsten Münzmetall wurde
09. September 2020 13:10
Eigentlich fing alles mit Sir Isaak Newton an, oder besser gesagt mit dem Ärger, den ihm die riesigen Goldfunde in Brasilien bereiteten. Sie drückten den Goldpreis derart, dass das festgelegte Verhältnis zwischen Gold und Silbermünzen ständig neu berechnet werden musste. Selbst ein Isaak Newton - damals Master der königlichen Münzstätte im Tower - scheiterte daran, mit der Entwicklung Schritt zu halten. Bei seiner letzten Anpassung von 1717 bewertete er die Silbermünzen zu hoch. Dies bedeutete faktisch, dass sie aus dem Umlauf verschwanden.
England ging also in der Praxis zum Goldstandard über, lange bevor ein entsprechendes Gesetz erlassen wurde. Erst 1774 bestätigte das Parlament Goldmünzen als gesetzliche Zahlungsmittel. Silbermünzen mussten lediglich bis zu einem Betrag von 25 Pfund angenommen werden.
England spielte damit eine Sonderrolle. In den meisten Ländern der Erde blieb Silber das Münzmetall der Wahl. Frankreich dagegen arbeitete mit dem Bimetallismus. Napoleon hatte mit seinem Münzgesetz von 1803 die lange gültige Relation von 1 (Gold) : 15,5 (Silber) festgelegt.
Drei mögliche Wege
Damit gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts drei mögliche Wege für eine nationale Währung:
1.) Den Goldstandard
2.) Den Silberstandard
3.) Einen gemischten Standard, bei dem Gold- und Silber in einem festen Verhältnis zueinander standen
Preisschwankungen im Verhältnis zwischen Gold und Silber
1848 wurde in Kalifornien Gold gefunden, 1851 in Australien. Damit stieg die weltweit geförderte Goldmenge enorm. Hatte man zwischen 1801 und 1810 noch 15,3 t weltweit gewonnen, betrug die Fördermenge zwischen 1841 und 1850 bereit 76,7 t, um im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts auf 567,8 t zu klettern. Mit anderen Worten, plötzlich war wesentlich mehr Gold im Umlauf als Jahrhunderte lang vorher.
Dies brachte alle Staaten in Schwierigkeiten, die wie Frankreich eine Währung hatten, die auf dem festen Verhältnis zwischen Gold- und Silbermünzen beruhten. Clevere Zeitgenossen nutzten die Kursunterschiede, um einen üppigen Gewinn zu machen. Sie exportierten hier und importierten da und leiteten so einen stattlichen Kursgewinn in ihre eigene Tasche. Die Folge: Zeitweise hatte Frankreich viel zu wenig Silber-, die Vereinigten Staaten von Amerika viel zu wenig Goldmünzen.
Für die Gesetzgeber waren die enormen Preisschwankungen also ein Desaster. Kaum hatten sie das Verhältnis zwischen Gold- und Silbermünzen neu festgelegt, änderte sich der Kurs und ein neues Gesetz wäre notwendig gewesen, um Verluste für die Staatskasse zu verhindern.
Und es machte die Sache nicht einfacher, dass 1859 in Virginia City ein gewaltiger Vorrat von Silbererz entdeckt wurden. Fast 7 Mio. Tonnen reines Silbers sollten die Bergwerke bis zu ihrer Schließung liefern. Die Folge war, dass auch der Silberpreis ins Trudeln geriet. Langfristig sank er von 60 p im Jahr 1870 auf 52 p (1880) bis auf 24 p (1910).
Theorie und Praxis: Warum setzte sich der Goldstandard durch?
Die Wissenschaft kennt zwei verschiedene Theorien, warum sich die Weltwirtschaft langfristig auf den Goldstandard festlegte. Die einen behaupten, man habe nicht mehr mit den ständigen Schwankungen hinsichtlich der Edelmetallpreise leben wollen. Die anderen suchen die Ursache in dem Bemühen, das eigene Geldwesen der Nation anzupassen, mit der man am meisten Geschäfte zu machen pflegte.
Nun gab es zwei Nationen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts um die wirtschaftliche Führung rangen: Großbritannien und Frankreich. Wir wissen, wer aus dem Kampf als Sieger hervorging. Dank der Industrialisierung wurde London zum wichtigsten Finanzplatz der Welt. Zwei Drittel des gesamten Welthandels wurden mit Pfund Sterling finanziert. Wer also seine Währung auf den Goldstandard umstellte, erhielt so einen privilegierten Zugang zu diesem Finanzplatz.
Frankreich und die Lateinische Münzunion
Doch auch Frankreich mit seinem Bimetallismus war eine geeignete Option. Schließlich hatte das Land in den napoleonischen Kriegen sein Münzsystem verbreitet. Französische Münzen kursierten in Belgien, der Schweiz resp. Italien und umgekehrt. Dies bot den Vorteil eines größeren Wirtschaftsraums, und den Nachteil, dass jeder Staat seine eigene Agenda verfolgte.
Wir erinnern uns, dass die Comstock Lode 1859 in Virginia City entdeckt wurde, und ihre Ausbeute den Silberpreis zusammenbrechen ließ. Italien passte sich dem als erstes Land im französischen Währungsraum an. Es stellte 1862 die Legierung, aus der die Ronden für seine Scheidemünzen hergestellt wurden, von 900 auf 835 Promille Silber um. Sehr zum Ärger von Frankreich. Dort prägte man mit 900 Promille. Mit anderen Worten: Die bereits zitierten cleveren Zeitgenossen importierten französische Silbermünzen nach Italien, ließen sie dort einschmelzen, in französische Münzen des gleichen Nominals umprägen und reimportierten sie nach Frankreich, um mehr französische Silbermünzen dafür zu kaufen und so weiter.
Frankreich sah sich 1864 gezwungen, den Feingehalt seiner Münzen ebenfalls auf 835 zu senken. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte man in der Schweiz bereits beschlossen, Silbermünzen aus einer Legierung von 800 Promille Silber zu prägen. Und die vielfach erwähnten cleveren Zeitgenossen rieben sich schon die Hände, wenn sie zu tun planten, was sie immer taten, nämlich auf Kosten der Allgemeinheit einen guten Schnitt zu machen.
Die Lateinische Münzunion von 1865 war eigentlich nichts anders, als der Versuch, genau dies unmöglich zu machen. Auch wenn einige Vertreter bei dieser Konferenz vehement für den Goldstandard lobbyierten, setzte sich Frankreich mit seinem bimetallischen System durch. Es scheiterte damit allerdings auf internationaler Ebene während der großen, 1867 von Frankreich einberufenen Währungskonferenz. Dort stellte sich heraus, dass die Zukunft nicht dem bimetallischen System gehören würde.
Rumänien. Karl I. 100 Lei. 1906, Brüssel, gemäß den Vorgaben der Lateinischen Münzunion, ohne Mitglied der Lateinischen Münzunion zu sein. Nur 3.000 Exemplare geprägt. Vorzüglich bis Stempelglanz. Taxe: 3.000 Euro. Aus Auktion Künker 340 (2020), Nr. 2983.
Auch wenn wunderbar farbige Karten immer wieder suggerieren, dass die Welt sich für die Lateinische Münzunion begeisterte, bedeutete die Tatsache, dass einzelne Nationen Münzen im gleichen Gewicht wie die goldenen 20 Francs resp. die silbernen 5 Francs-Stücke ausgaben, nicht, dass sie einen Bimetallismus pflegten. Sie wollten lediglich Münzen haben, die mit den französischen Münzen kompatibel waren.
Deutschland entscheidet sich für den Goldstandard
1854 war Portugal als wichtiger Handelspartner Englands zum Goldstandard übergegangen, ein Schritt der ohne große Folgen blieb. Als sich das neu gegründete Deutsche Kaiserreich für den Goldstandard entschied, waren die Auswirkungen ganz andere. Schließlich war Deutschland nach seinem Sieg über Napoleon III. eine der, wenn nicht die wichtigste Wirtschaftsmacht Europas geworden. Deutschland zog andere Nationen mit sich: Die Niederlande und die skandinavischen Nationen adaptierten kurz danach den Goldstandard.
Der Schritt war für all diese Nationen nicht besonders groß, für den Bürger kaum merklich. Denn - und das kann man nicht oft genug wiederholen - Goldstandard bedeutete nicht, dass keine Silbermünzen umliefen. Es hieß lediglich, dass alle Zahlungsmittel, also Kleinmünzen, Bankeinlagen und Banknoten, jederzeit in Gold konvertierbar waren.
Übrigens, es ist ein Gerücht, dass die französischen Münzen der Kriegsentschädigung von 1871 zu 20 Mark-Stücken umgeprägt wurden. Von den 5 Milliarden Mark kamen 4,248 Milliarden in Wechseln, die auf englische Pfund lauteten. Deutschland tauschte diese Papiere in London gegen das Gold ein, das es brauchte, um seine Währung zu produzieren. Die außer Kurs gesetzten Silbermünzen, deren Rohstoff wieder auf den Markt geworfen wurde, brachte den Silberpreis dazu, noch weiter abzusinken.
Silberproduzent USA
Als die Vereinigten Staaten von Amerika ihren Dollar schufen, waren sie zum großen Teil auf französische Kredite angewiesen. Mit ihnen wurde zum Beispiel die Notenbank Bank of North America gegründet. Wir müssen uns also nicht wundern, dass die Vereinigten Staaten von Amerika hinsichtlich ihres Münzsystems dem französischen Vorbild folgten und es auf den beiden Metallen Gold und Silber aufbauten, und das trotz der reichen Goldvorräte in Kalifornien.
Und dann entdeckte man, wie gesagt, 1859 die Comstock Lode. Ihre Ausbeute blieb nicht ohne Auswirkungen auf den Silberpreis. Als die Regierung während einer Krise, die als „Long Depression“ in die Geschichte einging, ein Bündel von Maßnahmen schnürte, gehörte dazu auch die Übernahme des Goldstandards im Coinage Act von 1873.
Es kam erst drei Jahre später zu ernsthaftem Widerstand. Der Coinage Act wurde zum „Crime of 73“. Die Silberproduzenten entwickelten eine hervorragende Öffentlichkeitsarbeit, die ihre eigenen Interessen derart verschleierte, dass man heute noch gelegentlich in amerikanischen Geschichtsbüchern lesen kann, es sei nicht die eigene Überproduktion gewesen, die den Silberpreis ins Stolpern brachte, sondern die deutschen Silberverkäufe nach der Währungsumstellung.
Tatsächlich gelang es gegen das Veto von Präsident Hayes, im Jahr 1878 den Bland-Allison Act durchzusetzen, der das Finanzministerium dazu zwang, jährlich eine bestimmte Menge Silber zu kaufen, um damit Silbermünzen zu prägen. Da dieses Silber zum Marktpreis gekauft wurde, handelte es sich nicht um eine Rückkehr zu einem Bimetallismus, sondern um einen Stützungskauf zu Gunsten der eigenen Silberproduzenten.
Im gleichen Jahr luden die Vereinigten Staaten von Amerika zu einer internationalen Währungskonferenz ein, bei der sie versuchten, als einer der größten Silberproduzenten der Welt, andere Staaten vom bimetallischen Währungssystem zu überzeugen, um so das eigene Silber weltweit absetzen zu können. Die Konferenz scheiterte. Deutschland schickte noch nicht einmal einen Vertreter, und der britische Delegierte hatte den Auftrag, alle Vorschläge zu blockieren.
Das Problem der immer größeren Schere zwischen Angebot und Nachfrage blieb. 1890 erließen der amerikanische Kongress den Sherman Silver Purchase Act, der den Bland-Allison Act ablöste und die Regierung zum zweitgrößten Käufer von Silber weltweit machte. Der größte Käufer war übrigens die britische Regierung in Indien, die so versuchte, den sich im freien Fall befindlichen Silberpreis und damit die indische Rupie zu stützen.
Der Preis sank in diesem einen Jahr 1890 von 1.16 $ pro Unze auf 0.69 $. Am 1. November 1895 stellte das Finanzministerium die Ausgabe von Silberdollars vorläufig ein.
Es blieb mit dieser Massnahme nicht allein. In den 1890er Jahren gingen auch Russland, Japan und die Habsburger Monarchie von ihrem bimetallischen System zum Goldstandard über. Frankreich und mit ihm die Länder der Lateinischen Münzunion hatten dies - mit Ausnahme von Italien - bereits 1878 getan.
Handelsinteressen versus Agrargesellschaft
Der Sherman Silver Purchase Act war 1890 vor allem deshalb erlassen worden, weil er den kleinen Bauern die Möglichkeit gab, ihre Schulden mit billigem, der Inflation unterliegendem Silbergeld zu bezahlen. Und damit sind wir bei einem dritten Erklärungsmodell, warum sich der Goldstandard im 19. Jahrhundert durchsetzen konnte.
Nie zuvor in der Geschichte war die Gesellschaft derart monetarisiert gewesen. In Großbritannien stieg der Geldumlauf von 255,4 Mio. Pfund im Jahr 1850 auf 11.303,6 Mio. Pfund im Jahr 1913. Der Anteil der Münzen - gegenüber Banknoten und Bankeinladen - sank von 23,9 auf 12 %. Ähnliches können wir auch für Deutschland beobachten. Dort wuchsen die 1,38 Mia. Mark von 1875 auf 18,31 Mia. Mark im Jahr 1913, während der Anteil von Münzen von 42,4 auf 18,3 % herunterging.
Diese Monetarisierung ging Hand in Hand mit dem Übergang der Wirtschaft von Selbstversorgung zu einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Wer in der Stadt arbeitete, war auf den Werterhalt seiner Ersparnisse angewiesen und bevorzugte stabiles Gold, während die Bauern mit ihren immer höheren Hypotheken auf eine Inflation setzen, um so ihre Kredite zu bedienen.
Der fast weltweite Übergang zum Goldstandard ist mit ein Zeichen dafür, dass die staatstragende Gesellschaft nicht mehr auf dem Land, sondern in den Städten lebte.
Der Darwinismus, angewendet auf Anlagemünzen: Eine Karikatur des Punch von 1900.
Gold als der sichere Hafen
Bis heute gilt Gold, trotz aller Schwankungen des Goldpreises, als sicherer Hafen. Immer noch fördern Regierungen den Strom von Gold in das eigene Land. So ist bis heute ist in vielen Ländern der Erwerb von Anlagegold mehrwertsteuerfrei, während alle anderen Anlagen in Edelmetall wie Silber, Platin oder Rhodium versteuert werden müssen.
Dabei bedeutete Goldstandard zu keiner Zeit, dass alle Münzen eines Landes aus Gold sein mussten. Er beinhaltete lediglich:
- die ungehinderte Kompatibilität von Banknoten und Silbermünzen in Gold
- die ungehinderte Ein- und Ausfuhr von Gold
- die Bindung der Geldmenge eines Landes an ihre Goldreserven
Und hieran scheiterte der Goldstandard langfristig. Kein Land der Welt brachte die Disziplin auf, auch in politischen Notlagen nur so viel Papiergeld auszugeben, wie es die Goldreserven erlaubten. Und das bedeutete in Europa den Zusammenbruch des Systems zu Beginn des 1. Weltkriegs. Die hohe Nachfrage an physischem Gold von Seiten der Bürger konnte nicht mehr durch die staatlichen Goldreserven gedeckt werden.
Auch wenn viele Staaten nach dem Ende des 1. Weltkriegs zum Goldstandard zurückkehrten, die kollektive Erfahrung, dass nur physisches Gold seinen Wert verlässlich behält, macht Goldmünzen heute noch zur ersten Wahl wenn es darum geht, Vermögen während einer Krise sicher aufzubewahren.
Die Auktion Künker „A Numismatic Gold Treasure“ bietet die wunderbare Gelegenheit, das Sammeln mit der Anlage in Gold zu kombinieren.