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Woher wissen wir eigentlich, wann es bei Issos eine Keilerei gab?

19. Februar 2021


Stellen Sie sich vor, es gäbe keine Uhren und keinen Kalender: Wie würden wir die Zeit messen? Grundsätzlich haben unsere Vorfahren dafür zwei Verfahren entwickelt: Die einen beobachteten die Sonne, die anderen den Mond. Die meisten Völker entschieden sich für eine der beiden Zeitrechnungen. Nicht so die Ägypter. Sie benutzten beide Datierungen nebeneinander und schufen einen bürgerlichen und einen religiösen Kalender.

Die Sotisperiode

Grundlage ihres bürgerlichen Kalenders war nicht die Sonne selbst, sondern der sich parallel zur Sonne bewegende Sirius, in Ägypten Sotis genannt. Der Aufgang des Sirius zur Zeit des Tagesbeginns fand in Memphis - unserer Zeitrechnung nach - am 19. Juli statt und kündigte die jährliche Nilschwemme an. Dem Nil verdankte das Land seinen Reichtum. Deshalb kreiste das gesamte bürgerliche Jahr um den Nil und die mit ihm verbundene Fruchtbarkeit. Die ägyptischen Bauern teilten ihr Jahr in drei Jahreszeiten: Überschwemmung von Juli bis November; Saat / Hervorgehen / Anwachsen von November bis März; Hitze / Ernte von März bis Juli. Das religiöse Jahr richtete sich dagegen nach dem Mond: Jeder Monat war einem Gott gewidmet, unter dessen Schutz der Monat stand und dessen Hauptfest in eben diesem Monat gefeiert wurde. Einen kleinen Schönheitsfehler hatte das System: Sotis- und Mondkalender waren unterschiedlich lang und wichen deshalb jedes Jahr ein klein bisschen mehr voneinander ab, so dass sich die beiden Systeme untereinander verschoben.

Alexandria. Antoninus Pius, 138-161.
Jahr 8 (= 144/5). Rv. Kopf des Sol und
der Selene in einem Kreis der Tierkreiszeichen.
Dattari 2984 (dieses Exemplar). Kampmann / Ganschow 35.257.
Sehr selten. Überdurchschnittlich erhalten. Sehr schön.
Aus Auktion Künker 347 (22. März 2021), Nr. 192.
Taxe: 5.000 Euro.

 

Fiel der Beginn von Sotis- und Mondjahr nach 1.460 Jahren wieder auf denselben Moment, war eine Sotisperiode verstrichen. Und dieses Ereignis fand - so überliefert es uns der römische Astronom Censorinus und so haben es moderne Astronomen nachberechnet - unserer Zeitrechnung nach am 19. Juli 139 statt.


Liste der Archonten, die den Bürgern von Thasos vorstanden. Foto: UK.

Was ein einziges Fixdatum ausmachen kann!

Dies ist für die moderne Geschichtsforschung von eminenter Bedeutung. Denn für sie gehören nur Daten, die an die moderne Zeitrechnung angeknüpft werden können, zur „absoluten“ Chronologie. Ereignisse, von denen wir lediglich wissen, in welcher Reihenfolge sie stattfanden, nennt man dagegen „relative“ Chronologie. Wenn Sie sich nun einmal in das originale Werk des Thukydides vertiefen, werden Sie schnell merken, dass er zwar Jahr für Jahr genau das Geschehen des Peloponnesischen Kriegs wiedergibt, dass Sie aber mit seinen Datierungen rein gar nichts anfangen können. Denn Thukydides datierte nach den Beamten der verschiedenen griechischen Städte. Das funktionierte dort hervorragend, weil jeder wusste, wer wann Beamter gewesen war und bei einer Gedächtnislücke die öffentlich angeschlagene Beamtenliste konsultieren konnte. Wir allerdings könnten damit rein gar nichts anfangen, hätte Alexander von Makedonien nicht glücklicherweise Ägypten erobert. Damit wurde er nämlich zu einem Pharao, Also führen ihn alle ägyptischen Königslisten mit seinen Regierungsjahren auf. Und eben diese Königslisten können wir dank der absoluten Chronologie, die uns die Sotisperiode liefert, an unsere moderne Zeitrechnung anhängen. Und das wiederum bedeutet, dass alle Ereignisse der antiken Welt letztendlich mit der ägyptischen Zeitrechnung datiert werden. Denn ein anderer Gelehrter aus Alexandria, Erathostenes von Kyrene, hat uns mit einer relativen Chronologie der griechischen Geschichte beschenkt:

Von der Eroberung Troias bis zur Rückkehr der Herakliden 80 Jahre
Bis zu der Niederlassung in Ionien 60 Jahre
Bis zur Vormundschaft des Lykurgos 159 Jahre
Bis zum Beginn der ersten Olympiade 108 Jahre
Bis zum Feldzug des Xerxes 297 Jahre
Bis zum Beginn des Peloponnesischen Krieges 48 Jahre
Bis zu dessen Ende und dem Sieg über Athen 27 Jahre
Bis zur Schlacht bei Leuktra 34 Jahre
Bis zum Tod des Königs Philipp 35 Jahre
Bis zum Tod Alexanders 12 Jahre

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Nun können wir das Todesjahr Alexanders dank der Kombination von ägyptischen Königslisten und Sotisperiode auf 324/3 vor unserer Zeitrechnung berechnen. Von diesem einen absoluten Datum aus werden alle anderen Daten nach hinten gezählt, wobei wir in dieser Tabelle die Daten, die ans Mythische grenzen, lieber beiseite lassen.

Beginn der ersten Olympiade    776
Feldzug des Xerxes      479
Beginn des Peloponnesischen Krieges       431
Ende des Peloponnesischen Krieges und Sieg über Athen   404
Schlacht bei Leuktra        370
Tod des Königs Philipp         335
Tod Alexanders    323

 

 

 

 

 

 

 

Das heißt, unsere gesamte griechische Chronologie würde am seidenen Fädchen der Sotisperiode hängen, gäbe es nicht eine einzige Bestätigung: Thukydides I, 28 erwähnt in seinem Peloponnesischen Krieg eine Sonnenfinsternis, die unsere Astronomen auf den 3. August des Jahres 431 datieren, was es wahrscheinlich macht, dass Erathostenes von Kyrene zumindest bis zum Beginn des Peloponnesischen Krieges recht hat.

Domitianus, 81-96.
Denar 88. Rv. Herold kündigt die Saecularspiele an.
Selten. Gutes sehr schön.
Aus Auktion Künker 347 (23. März 2021), Nr. 1092.
Taxe: 150 Euro.

Domitianus, 81-96.
Denar 88. Rv. Herold kündigt die Saecularspiele an, vor ihm Stele mit Aufschrift, die sich auf die Saecularspiele bezieht, und Kandelaber für ein Weihrauchopfer.
Aus Auktion Künker 347 (23. März 2021), Nr. 1093.
Taxe: 300 Euro

 

Das römische Saeculum

Aber zurück zu Antoninus Pius und seiner Sternzeichen-Serie. Ihm war die Vorstellung, dass sich die Zeit in einer Art Kreis bewegt, wie allen Römern nicht fremd. Sie alle kannten das Saeculum, einen Kreislauf, der dann neu begann, wenn alle Menschen, die seinen Beginn erlebt hatten, nicht mehr unter den Lebenden weilten. Augustus hatte diese Vorstellung genutzt, um nach dem Bürgerkrieg den Anbruch eines neuen Zeitalters zu inszenieren. Seine Nachfolger sollten das - mit weniger Erfolg - immer wieder nachahmen. Nun waren sich Historiker über den Beginn so eines Saeculums nicht einig, was jedem Kaiser einen gewissen Spielraum eröffnete, den Antoninus Pius in Ägypten zu nutzen wusste.

Alexandria. Antoninus Pius, 138-161.
Jahr 8 (144/5). Rv. Mars im Zeichen des Widders. Dattari 2958 (dieses Exemplar). Kampmann / Ganschow 35.267.
Sehr selten. Überdurchschnittlich erhalten. Sehr schön.
Aus Auktion Künker 347 (22. März 2021), Nr. 180.
Taxe: 5.000 Euro.

Alexandria. Antoninus Pius, 138-161.
Jahr 8 (144/5). Rv. Mond im Zeichen des Krebses. Dattari 2963 (dieses Exemplar). Kampmann / Ganschow 35.271.
Sehr selten. Überdurchschnittlich erhalten. Sehr schön.
Aus Auktion Künker 347 (22. März 2021), Nr. 183.
Taxe: 5.000 Euro.

Alexandria. Antoninus Pius, 138-161.
Jahr 8 (144/5). Rv. Iuppiter im Zeichen des Schützen.
Dattari / Savio Suppl. Tf. 19, 148 (dieses Exemplar).
Kampmann / Ganschow vgl. 35.262.
Äußerst selten. Fast sehr schön / Sehr schön.
Aus Auktion Künker 347 (22. März 2021), Nr. 188
Taxe: 1.500 Euro


Antoninus Pius und seine astrologische Serie

Er prägte nämlich im 8. Jahr seiner Regierung eine Serie, die das Sotisjahr mit Sonne und Mond thematisierte und die verschiedenen Sternzeichen und Häuser aufgriff. Damit befand sich der Kaiser auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. In Alexandria lebte und wirkte der Astronom Claudius Ptolemaios, auf den das „Ptolemäische Weltbild“ zurückgeht. Er systematisierte die Planetenbewegungen, indem er sie - seiner Vorstellung nach - auf kristallinen Sphären eine vollkommene Kreisbahn beschreiben ließ. Dabei durchliefen sie die 12 Tierkreiszeichen und ermöglichten so genauere Horoskope, wie Ptolemaios in seinem Tetrabiblos festhielt. Den exakten Anlass, aus dem diese wunderbare Serie geprägt wurde, können wir leider nicht rekonstruieren. Wir sollten auch der Antike den menschlichen Faktor zugestehen. Vielleicht war es der Kaiser selbst, vielleicht sein Stellvertreter in Alexandrien, der nach einer Diskussion mit Claudius Ptolemaios oder der Lektüre seines Werks entschied, dass sich die neuesten astrologischen Erkenntnisse wunderbar für eine Münzserie eignen würden. Der letzte Sammler, der die Sternzeichenserie in dieser Vollständigkeit und in dieser Erhaltung zusammenbringen konnte, dürfte Giovanni Dattari gewesen sein, jener italienische Münz- und Antiquitätenhändler, der am 18. Februar 1923 in Kairo starb. Auktion Künker 347 bietet also mit der Fülle an Material für jenen Sammler alexandrinischer Münzen eine Gelegenheit, die vielleicht ein ganzes Sammlerleben lang nicht wieder kommen wird.