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Ein goldenes Prunkstück der niederländischen Hanse- und Reichsstadt Kampen

15. März 2022 13:45


Das holländische Kampen, das kurz vor der Mündung der IJssel in das Ketelmeer liegt, besitzt eine überaus sehenswerte Altstadt, die zu einem Besuch einlädt. Das frühneuzeitliche Stadtbild, das der berühmte niederländische Kartograph Joan Blaeu um 1649 aus der Vogelflug-Perspektive zur Darstellung brachte, ist bis heute weitgehend erhalten geblieben. Es ruft uns die große Vergangenheit dieser niederländischen Hansestadt in Erinnerung. Mit Deventer und Zwolle gehörte Kampen zu den reichsten und bedeutendsten Hansestädten der Niederlande. Zu Beginn des 15. Jhdts. besaßen die Kampener Kaufleute 120 seetüchtige Schiffe, und die Stadt war fast so groß wie Amsterdam. Kampen profitierte von Tuchproduktion und -handel, hatte aber auch bedeutende Glocken- und Kanonengießer.

In unserer Auktion 362 kommt eine aus der überragenden Salton-Collection stammende 44 mm große und 60,95 g wiegende Goldmünze zur Versteigerung. Mit einem Gewicht von nahezu 3 Unzen ist sie eine der größten Goldmünzen der Frühen Neuzeit. Wie kaum ein anderes Objekt lässt sie die ,Goldene Zeit‘ Kampens vor unseren Augen wiedererstehen. Angesichts ihrer extremen Seltenheit ist diese Münze nahezu unbezahlbar und mit 250.000 Euro äußerst moderat geschätzt.

Motivgeschichtlich ist dieser Goldgigant von höchstem Interesse. Sein Design orientiert sich an zeitgenössischen Sovereigns der englischen Königin Elizabeth I. (1558-1603) aus der Zeit um 1600 (vgl. Spink, Standard Catalogue of British coins, 50th edition, London 2015, 257 Nr. 2529): Die bekrönte Königin, in der Rechten ein Szepter, in der Linken einen Reichsapfel haltend, thront in Vorderansicht zwischen zwei Halbsäulen. Zu ihren Füßen ist das Wappen von Kampen zu sehen. Umgeben ist das Vorderseiten-Münzbild von einem Psalmspruch: NON VIDI IVSTVM DERElictum N-EC SEMEN EIus QVÆrere PANEM/Nie sah ich einen Gerechten verlassen noch seine Kinder betteln um Brot (Psalm 37, 25). Dieser Psalmspruch wurde von mehreren Kirchenvätern (etwa von dem Übersetzer der Bibel ins Lateinische, Hieronymus, in seinem Brief an Eustochius, 22, 32) kommentiert und kommt auch häufiger auf Münzen vor (vgl. etwa W. Leschhorn, Braunschweigische Münzen und Medaillen, Braunschweig 2010, 105 auf Münzen Herzog Heinrichs d. Jüngeren). Auf der Rückseite des Kampener Goldstücks ist in eine stilisierte (Tudor)-Rose das spanische Wappen eingefügt, das aus der Burg von Kastilien, dem aufrechtstehenden Löwen von León und den Pfählen von Aragon zusammengesetzt ist. Nominell gehörte Kampen damals zu den spanischen Niederlanden; erst mit dem Frieden von Osnabrück und Münster (1648) wurde die Unabhängigkeit der Niederlande anerkannt. Umgeben ist diese seltsame Verbindung von Wappen zweier verfeindeter Mächte von der Umschrift: MONETA AVREA IMPERIALIS CIVITATIS CAMPENSIS/Goldmünze der Reichsstadt Kampen.  Englische Münzen (Nobles und Sovereigns) waren, seitdem England unter Elizabeth I., zu einer Großmacht geworden war, ein beliebtes internationales Zahlungsmittel und wurden vielfach, besonders aber in den Niederlanden, nachgeahmt (dazu H.E. Ives, Foreign Imitations of the English Noble [Numismatic Notes and Monographs 93], New York 1941). Dieses Goldstück ist aber viel zu groß und wertvoll, um als Handelsmünze dienen zu können. Es handelt sich bei ihm um eine ordensähnliche Geschenkmünze, die in extrem seltenen Fällen an Personen verliehen wurde, die sich um Kampen in besonderer Weise verdient gemacht hatten. Wir wissen dies aus dem Anstellungsvertrag des städtischen Münzmeisters von Kampen, Hendrik Wijntgens (Münzmeister von 1589-1606), der darin bevollmächtigt wird, goldene Dankmünzen (goude beloningspenninge) in Form von doppelten Rosennobels nach golden Sovereignmünzen im Gewicht zwischen 13 und 61 g herzustellen (P.J. Soetens, De muntslag te Kampen, in: Kamper Almanak 1962-1963, 270-300, bes. 288). Diese Kampener Goldmünze wurde also ähnlich verwendet wie die goldenen Portugalöser Hamburgs.

Das extrem seltene wie auch extrem interessante Goldstück gehörte zur Sammlung des jüdischen Münzhändlers Felix Schlessinger, der nach Repressalien der Nationalsozialisten 1936 von Berlin in die Niederlande emigrierte. Nach der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen wurden Felix Schlessinger und seine Frau deportiert und in Auschwitz ermordet. Felix Schlessinger hatte den Kampener Rose-Noble vor der Plünderung seines Geschäftes durch deutsche Soldaten in einem Kistchen verstecken und in Brabant vergraben können. Nach dem Krieg gelang es Mark Salton, die Münze unter allerlei Schwierigkeiten wieder in seinen Besitz zu bringen (vgl. D. Hill, Schlessinger to Salton: Details of a Life Preserved in Papers, ANS-Magazine 3/2021 ); zwischenzeitlich war das große Goldstück sogar in Gefahr, eingeschmolzen und zu Schmuck verarbeitet zu werden.

Aufgrund der engen Freundschaft von Mark und Lottie Salton mit dem Gründer unseres Hauses, Fritz Rudolf Künker, wird die Salton Collection und darunter auch diese faszinierende Münze am 22. März 2022 in Osnabrück verauktioniert. Habent sua fata, monetae!

Aus einem silbernen Reiter wird ein goldener Reiter

Ebenfalls in unserer Auktion 362 kommt unter Losnummer 1289 ein Rarissimum der niederländischen Münzprägung zur Versteigerung. Es handelt sich um ein goldenes 10 Dukatenstück von 1687, das mit 34,50 g mehr als eine Unze wiegt. Für die Prägung dieser Prachtmünze, die auf 30.000 Euro geschätzt ist, wurden die Stempel für einen Silberdukaten verwendet, so dass auf der Vorderseite die irreführende Legende MO(neta) NO(va) ARG(entea) CON-FŒ(derationis) BELG(icae), PRO(vincia) HOL(landia)/(Neue Silbermünze der Belgischen Konföderation, Provinz Holland) zu lesen ist. Offensichtlich wurde eine 10-Dukaten-Münze in Gold so selten benötigt, dass es sich nicht lohnte, für sie eigene Stempel zu schneiden. Ein derartiger Goldabschlag war für den Handel oder den normalen Geldumlauf kaum zu gebrauchen: Er diente als außergewöhnliches Geschenk für hochstehende Personen bei einem besonderen Anlass. Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass die Beschenkten oder ihre Erben leicht in die Versuchung gerieten, so schwere Goldmünzen von beträchtlichem Wert einschmelzen zu lassen, ist die extreme Seltenheit solcher Stücke hinreichend erklärt.

Das Münzbild des Goldenen Reiters/Goude Rijder geht auf ein Münzdesign zurück, das zuerst Philipp der Gute von Burgund (1419-1467), der Vater Karls des Kühnen, verwendet hatte: auf den Cavalier d’or. Der Reiter ist mehr oder weniger die Verkörperung des Rittertums; Philipp der Gute hat den Ritterorden vom Goldenen Vlies gestiftet. Unter dem vorwärtssprengenden Reiter ist das Wappen der Provinz Holland zu sehen. Holland war die bedeutendste der sieben Provinzen, die sich von der spanischen Herrschaft losgesagt hatten.

Die Rückseite zeigt den Wappenschild Wilhelms III. von Oranien-Nassau, den zwei Löwen halten und mit einem Fürstenhut überkrönen. Wilhelm war 1672 zum Statthalter der Sieben Vereinigten Provinzen gewählt worden war und konnte den Angriff Ludwigs des XIV. von Frankreich auf die Generalstaaten abwehren. Der nassauische Löwe hält in seiner linken Vorderpranke sieben Pfeile, die für die einzelnen Mitglieder der niederländischen Konföderation stehen, mit seiner rechten Tatze schwingt er ein Schwert. Umgeben ist das Wappen des niederländischen Statthalters von der Devise der Generalstaaten: CONCORDIA RES PARVÆ - CRESCUNT/Durch Eintracht wachsen sogar kleine Dinge. Es handelt sich dabei um ein in der Antike häufig verwendetes geflügeltes Wort, das sich zuerst bei Sallust im ,Bellum Jugurthinum‘ 10,6 nachweisen lässt (vgl. R. Tosi, Dizionario delle sentenze latine e greche, Milano 2018, Nr. 1570). Unter dem Schild befindet sich eine Kartusche mit der Jahreszahl 1687.