Mit den Augen eines Historikers - Anmerkungen zu den Münzen der kommenden Auktionen 376-378
11. октябрь 2022 14:51
Eines dieser Spitzenstücke ist ein Aureus des Galba
der ein sehr schönes Büstenporträt des Bürgerkriegsgenerals zeigt, der von April 68 bis Januar 69 römischer Kaiser war. Er trägt keinen Lorbeerkranz, was darauf hinweisen soll, dass er der Wiederhersteller der Freiheit (Libertas) des römischen Staates nach der Herrschaft des Tyrannen Nero sein wollte. Das volle Haar schmeichelt ihm, denn in Wirklichkeit war Galba damals 73 Jahre alt und kahlköpfig (vgl. G. Morgan, 69 A.D. The Year of four Emperors, Oxford 2006, 34). Auf der Münze trägt er über seiner Rüstung die Ägis (‹Ziegenfell›), die eigentlich ein Attribut des Jupiter war. Es erinnert daran, dass Galba seinen Stammbaum auf Jupiter zurückführte (Sueton, Galba 2), ist aber auch ein Zeichen der von den Göttern verliehenen kaiserlichen Herrschaft. Nach antikem Glauben entstand, wenn die Ägis geschüttelt wurde, ein Gewitter und Blitze erschlugen die Feinde. Über der Ägis befindet sich ein Gorgoneion, bei dessen Anblick ein Feind versteinert wurde. Die Darstellung der vergöttlichten Livia, der Gattin des Augustus, erinnert daran, dass Galba mit ihr entfernt verwandt war und er sie in seiner Jugend häufig besucht hatte. Livia hatte im Gegenzug Galbas Karriere gefördert. In ihrem Testament bedachte die 29 n. Chr. verstorbene Livia Galba mit einem Vermächtnis von 50 Millionen Sesterzen, doch Livias Sohn und Haupterbe, der Kaiser Tiberius, zahlte diese Summe nicht aus. Erst unter Caligula erhielt Galba sein Erbe. In dieser Hinsicht erzählt dieser schöne und äußerst seltene Aureus (Calicò R4!) eine interessante Episode aus der Geschichte des kaiserzeitlichen Roms.
Es gibt noch ein weiteres prächtiges Stück dieses Typs mit einem konventionelleren Porträt
zu einem viel niedrigeren Preis; und schließlich ist da noch ein weniger gut erhaltenes Stück
das nicht zuletzt wegen seiner Seltenheit auch ein Blickfang einer Sammlung römischer Aurei sein kann.
Eine ähnlich seltene Münze ist der Aureus des Pertinax
der nicht nur ein sehr gutes und charakteristisches Porträt jenes Kaisers zeigt, der nicht einmal volle drei Monate regierte, sondern auch eine vieldiskutierte Rückseite aufweist. Abgebildet ist die Providentia Deorum, d.h. die göttliche Vorsehung, die, wie die Münze glauben machen will, zur Machtergreifung von Pertinax geführt hatte. Am 31. Dezember 192 war Kaiser Commodus ermordet worden. Damit war seine Schreckensherrschaft der letzten Jahre zu Ende gegangen. Da Pertinax, der Sohn eines ligurischen Freigelassenen, jedoch nicht aus der kaiserlichen Familie stammte, ließ er keine Gelegenheit aus, seine Herrschaft zu legitimieren. Eine Möglichkeit bestand darin, den Regierungswechsel als von den Göttern gewollt darzustellen. Da kurz vor Commodus' Sturz und Tod ein Komet erschienen war, konnte diese Himmelserscheinung nicht nur als Zeichen für Commodus’ Untergang, sondern auch als himmlische Bestätigung für das Erscheinen eines neuen Herrschers gedeutet werden. Das Ereignis erinnert an den Kometen bei der Geburt Jesu, den die Weisen aus dem Morgenland (die Heiligen Drei Könige) und der verängstigte König Herodes als Zeichen für die Geburt eines neuen Königs sahen (vgl. dazu J.-P. Martin, Providentia Deorum. Aspects religieux du pouvoir romain, Rom 1982, 371-376 und C. de Ranieri, Providentia Deorum: Investitura divina e carisma della dinastia nella propaganda iniziale di Commodo, QuadTic 26, 1997, 311-337, insb. 318 n. 37).
Der erste punische Kaiser, Septimius Severus, der oft als «Hannibals späte Rache an den Römern» bezeichnet wird, wünschte sich ebenfalls den Schutz der Götter. Er stammte aus Leptis Magna (im heutigen Libyen). Schutzgötter dieser Stadt waren Melkart (identifiziert mit Herkules) und Shadrapa (gleichgesetzt mit Dionysos/Bacchus/Liber pater). Ein prächtiger und sehr seltener Aureus (Lot 5029) aus dem Jahr 194 n. Chr. zeigt diese beiden persönlichen Schutzgötter des Septimius Severus mit der Legende DIS AVSPICIBVS («Den Schutzgöttern gewidmet»). Die beiden Götter waren auch Programm für die Politik des Septimius Severus: Mit ihm begann die Zeit der Soldatenkaiser und seine Herrschaft war von Kriegen geprägt, für die Herakles ein Symbol sein konnte. Andererseits wollte Septimius Severus mit seiner Herrschaft ein neues Goldenes Zeitalter herbeiführen. Dieses neue Zeitalter konnte seinen Ausdruck vor allem in Festen finden, für die der Weingott Dionysos stehen konnte (vgl. C. Rowan, Under Divine Auspices. Divine Ideology and the Visualisation of Imperial Power in the Severan Period, Cambridge 2013).
Septimius Severus förderte als punischer Afrikaner das Land seiner Herkunft. So verlieh er im Jahr 203 der afrikanischen Metropole Karthago das ius Italicum, das eine Stadt außerhalb Italiens rechtlich so stellte, als befände sie sich auf italischem Boden.
Ein sehr schöner Aureus
zeigt auf der Vorderseite ein prächtiges Porträt des Septimius Severus und auf der Rückseite das Bild der Dea Caelestis, der Schutzgöttin Karthagos, die im Damensitz auf einem Löwen reitet. Griechen und Römer identifizierten diese Göttin mit Hera oder Iuno. Die Legende erklärt das Münzbild, das außerhalb Karthagos nur schwer zu verstehen ist: INDVLGENTIA AVGG(ustorum) IN CARTH(aginem)/Gnadenerweis der Kaiser für Karthago (vgl. I. Mundle, Dea Caelestis in der Religionspolitik des Septimius Severus und der Julia Domna, Historia 10, 1961, 228-237; J.-M. Carrié, La ‹munificence› du prince. Les modes tardifs de désignation des actes impériaux et leurs antécédents, in: M. Christol - S. Demoguin - Y. Duval - C. Lepelley - L. Pietri (ed.), Institutions, Société et vie politique dans l'empire romain au IVe siècle ap. J.-C. Actes de la table ronde autour de l’œuvre d’A. Chastagnol (Paris, 20-21 janvier 1989), Paris 1992, 411-430, bes. 421 f.).
Nach den Bürgerkriegen, die von 193 bis Februar 197 dauerten, wollte Septimius Severus durch die unangefochtene Herrschaft seiner Familie eine größere Stabilität in Rom wiederherstellen. Zwei Spitzenstücke der Auktionen verweisen auf diese Ambitionen:
Das eine
propagiert die Erhebung seines älteren Sohnes Caracalla, wahrscheinlich am 4. April 197, zum princeps iuventutis. Der princeps iuventutis hatte die ehrenvolle Aufgabe, die jährliche Parade der jungen römischen Ritter anzuführen. Ob der erst 9-jährige Prinz, der seit dem 4. April 196 den Titel eines Caesars trug, tatsächlich die Parade anführte, scheint angesichts der Gefahr eines Sturzes vom Pferd fraglich, denn auf der Münze hält er zwar die silberne Lanze des princeps iuventutis, trägt auch Reitstiefel, führt aber nicht den bei diesen Paraden verwendeten Reiterschild (parma) mit sich. Stattdessen ist in seiner Rechten nur ein Kommandostab zu sehen, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass er den Schwadronen von einem sicheren Ort aus seine Befehle erteilte.
Wenig später, wahrscheinlich schon Ende 197, erhob Septimius Severus Caracalla zum Mitkaiser und verlieh ihm den Titel des Augustus.
Auf einem schönen Aureus
trägt er den Lorbeerkranz eines Vollkaisers. Die Rückseite zeigt seinen jüngeren, barhäuptigen Bruder Geta, dem gleichzeitig der Titel Caesar verliehen wurde (vgl. M. Horster, Princeps Iuventutis. Konzept, Realisierung, Repräsentation, in: St. Benoist et al. (Hrsg.): Figures d’empire, fragments de mémoire. Pouvoirs et identités dans le monde romain impérial IIe s. av. n. è. - VI s. de n. è. Lille 2011, 73-103).
Zu fast jeder der in der Auktion angebotenen Aurei ließen sich Kommentare schreiben, doch mag es im Folgenden genügen, nur einige weitere Aspekte anzusprechen.
Seit der Herrschaft Caracallas nahm die Verehrung des Sonnengottes stetig zu, bis schließlich im späten 3. und im 4. Jahrhundert Sol zu einer der wichtigsten Gottheiten des Imperium Romanum wurde. Das Christentum, das immer mehr Anhänger gewann, wusste sich nicht anders zu helfen, als das Fest der Geburt Jesu auf das Fest des unbesiegbaren Sonnengottes zu legen, um es auf diese Weise zu ersetzen. Zwei schöne Sol-Aurei (Los 4105 mit Caracalla und Los 5051 mit Probus) sind Zeugen dieser Sonnenverehrung.
Die kriegerische Ausdehnung des Römischen Reiches spiegelt sich in vielen Münzen wider, zum Beispiel
- Die Eroberung des Alpenraums unter Augustus: Auf einem in dieser Erhaltung seltenen Aureus
überreichen Tiberius und Drusus (bzw. ihre soldatischen Abgesandten) den Siegeslorbeer an Augustus, der auf der sella curulis auf einem tribunal sitzt. Beide Feldherren, enge Verwandte des Kaisers, hatten die Räter und Vindeliker (in der Gegend des heutigen Augsburgs) unterworfen und Augustus die 10. Imperatorische Proklamation eingebracht (vgl. R. Wolters, Die Okkupation Germaniens im Licht der numismatischen Quellen, R. Aßkamp - T. Esch (Hrsg.), IMPERIUM - Varus und seine Zeit. Beiträge zum internationalen Kolloquium des LWL-Römermuseums am 28. und 29. April 2008 in Münster, Münster 2010, 105-114; J. Rageth - W. Zanier, Crap Ses und Septimer: Archäologische Zeugnisse der römischen Alpeneroberung 16/15 v. Chr. aus Graubünden, Germania 88, 2010, 241-284).
- Den Germanenfeldzügen des Drusus, von dem sein Sohn, der Kaiser Claudius, den Siegertitel Germanicus erbte.
Der Kaiser ließ einen Gedenk-Aureus
auf ihn prägen;
– Der Jüdische Krieg von Vespasian und Titus
Losnummer 4941 | Losnummer 5724 | Losnummer 5765 |
der mit einem Triumph in Rom endete
Losnummer 4942 | Losnummer 5746 |
und die Einweihung des Pax-Tempels
Losnummer 4066 | Losnummer 5763 |
in dem die wichtigsten Beutestücke des Jüdischen Krieges, der Schaubrottisch, die Menora und die Trompeten, ausgestellt wurden.
– Trajans Kriege in Germanien
und in Dakien,
– Der katastrophale Ostfeldzug von Marcus Aurelius und Lucius Verus, der zur Ausbreitung der Pest im gesamten Römischen Reich führte.
Losnummer 5011 | Losnummer 5019 | Losnummer 5020 |
Losnummer 5885 | Losnummer 6635 | Losnummer 5021 |
– Eine Beschwörung der Macht der römischen Armeen durch Decius, der jedoch als erster römischer Kaiser in einer Schlacht gegen Invasoren fiel.
– Zwei Aurei des Aurelian, die den römischen Mars anrufen
Losnummer 4132 | Losnummer 5050 |
Aurelian konnte das Palmyrenische und das Gallische Sonderreich für Rom zurückgewinnen und die Existenz des Römischen Reiches innerhalb seiner Grenzen sichern.
- Eine grandiose Triumphszene des fähigen Soldatenkaisers Probus
und seltene Darstellungen der Victoria von Carus und Carinus.
Lotsnummer 4136 | Losnummer 4138 |
Interessant sind auch die Rückseiten von Münzen mit kaiserlichen Frauen: Sie wurden vor allem mit Fruchtbarkeit (Ceres-Münzen der älteren Faustina,
Losnummer 5002 | Losnummer 5854 | Losnummer 5855 |
Losnummer 6611 | Losnummer 6612 |
Schönheit (Venustaube der jüngeren Faustina:
Losnummer 5006 | Losnummer 5859 |
Venus Victrix der Lucilla,
und der Julia Domna,
Mutterschaft (Pfau der Juno der älteren Faustina:
auch ein Vergötterungssymbol für Kaiserinnen) und mit friedlichem Familienleben (Concordia der Otacilia Severa,
Losnummer 5039. in Verbindung gebracht.
Von medizinhistorischem Interesse sind die zahlreichen Münzen, die den Pestzug unter Marcus Aurelius und Lucius Verus widerspiegeln: Im Jahr 166 n. Chr. schleppten die siegreichen Armeen des Partherfeldzugs eine Epidemie (vielleicht die Beulenpest) ins Römische Reich ein. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Drittel der Bevölkerung des Reiches in dieser Zeit der Seuche zum Opfer fiel. Die Folgen der Epidemie, die mehr als zehn Jahre andauerte, waren katastrophal und trugen zur Krise des 3. Jahrhunderts bei. Es war der Mangel an Menschen und Geld, der das Römische Reich unter enormen Druck setzte. Die zahlreichen SALVS-Münzen unter Marcus Aurelius, Lucius Verus und Faustina der Jüngeren spiegeln die Hoffnung der kaiserlichen Familie wider, die Pest zu überwinden
Losnummer 5863 | Losnummer 5017 | Losnummer 5018 |
Losnummer 5873 | Losnummer 6627 | Losnummer 5883 |