Florin d'or o. J. (1529-1601). 3.18 g. Engel/Lehr - (aber abgebildet auf Tf. XXXIII, 6); Fb. - (vgl. 234); de Mey 21.
EUROPEAN COINS AND MEDALS
FRANKREICH/ELSASS, STRASSBURG, STADT
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Engel/Lehr - (aber abgebildet auf Tf. XXXIII, 6); Fb. - (vgl. 234); de Mey 21.
GOLD. Von großer Seltenheit. Attraktives, sehr schönes Exemplar
Die vorliegende Münze verdient eine nähere Betrachtung. Sie stellt ein aussagekräftiges Zeugnis der Wirkung der reformatorischen Lehre dar und ist in epigraphischer Hinsicht eine Besonderheit in der Abfolge der Goldgulden der Reichsstadt Straßburg.
Am 29. Januar 1508 verlieh Maximilian I. der Reichsstadt das Recht, Goldgulden zu schlagen, die jenen der rheinischen Kurfürsten in Schrot und Korn entsprechen sollten. Das königliche Privileg definiert präzis die Münzbilder und Umschriften dieser künftig zu prägenden Goldmünzen. Demzufolge solle die Vorderseite das Stadtwappen zu den Füßen der Jungfrau Maria samt der Umschrift URBEM VIRGO TUAM SERVA (Jungfrau [Maria], erhalte Deine Stadt) zeigen. Ein unmittelbarer Bezug von Bild und Schrift ist damit gegeben. Die Rückseite solle einen Reichsapfel tragen und die Umschrift AUREUS URBIS ARGENTINE NUMMUS (goldene Münze der Stadt Straßburg).
Die Stadt begann wohl schon bald nach Empfang dieses königlichen Vorrechts mit der Prägung ihrer Goldgulden unter Berücksichtigung all dieser Maßgaben. Auf der Rückseite prangt der Reichsapfel. Dieser wird umschlossen von einem Fünfpass, der an jeder Einbuchtung mit je einer einwärts gerichteten Lilie geschmückt ist. Die Vorderseite zeigt die nimbierte und bekrönte Muttergottes en face auf einem Thron, mit ausgebreiteten Armen. Auf ihrem Schoß sitzt das Jesuskind, einen Globus haltend. Dieser spezifische ikonographische Darstellungstypus der Muttergottes gründet sich auf ein Bildmotiv, das quasi als Signum der Stadt Straßburg seit dem hohen Mittelalter vorkommt. In entsprechender Darstellung begegnet die Gottesmutter als Schlachtenhelferin auf dem Stadtbanner, einem militärischen Zeichen, das hier seit dem Jahre 1208 nachweisbar ist. Ein Holzschnitt aus dem frühen 16. Jahrhundert (in: Thomas Murner, Germania nova, Straßburg 1501) bildet eine nahezu in jedem Detail graphische Entsprechung zum Bildthema der Vorderseite der seit 1508 geschlagenen Münzen.
Schon seit 1523 manifestierte sich die Lehre der Reformation innerhalb der Stadt, einem Zentrum des Humanismus am Oberrhein. Sie fand weitere Förderung durch den Magistrat. Gegen 1529/1531 war die Stadt evangelisiert. Mit dieser Entwicklung ging eine Modifikation der hiesigen Goldgulden einher. Die Vorder- und Rückseitenbilder blieben in ihren Gestaltungsprinzipien zwar prinzipiell unverändert, doch veränderte man die Vorderseitenumschrift in maßgeblicher Hinsicht und verkündete auf diesem repräsentativen numismatischen Medium so ein Statement zum neuen Bekenntnis. Statt der Devise URBEM VIRGO TUAM SERVA wählte man nun den programmatischen Wahlspruch URBEM CHRISTE TUAM SERVA. Als Schutzherr und Bewahrer der Stadt wurde auf den Gulden fortan somit Christus propagiert. Diese Änderung trägt dem frühen reformatorischen Grundsatz „solus Christus“ der protestantischen Lehre Rechnung, nach dem allein Jesus Christus als Heilsbringer gilt. Die Änderung der Umschrift verlagert den Fokus auf das Münzbild von der Jungfrau Maria nun auf ihren hier als Kind verkörperten Sohn. Für eine grundsätzliche Änderung des Münzbildes entschieden sich die Verantwortlichen freilich nicht, vermutlich weil sich der Bildtyp dieser hochwertigen städtischen Handelsmünze im Geldverkehr etabliert hatte und bereits beim Publikum bekannt war. Es scheint bemerkenswert, dass der Marienbildtypus samt Nimbus und Krone, beredte ikonographische Zeichen der Gottesmutter, hier auch in protestantischer Zeit auf den Goldgulden unverändert blieb.
Auch der hier offerierte Goldgulden muss nach Ausweis seiner Vorderseitenumschrift in die Zeit nach der Einführung der Reformation vor Ort datiert werden. Seine in gotisierenden Buchstabenformen ausgeführten Umschriften machen ihn außergewöhnlich, da ansonsten die gesamte Entwicklungsreihe der bildgleichen Straßburger Goldgulden Umschriften in lateinischer Antiqua aufweist. Dies gilt sowohl für die frühen Goldgulden aus vorreformatorischer Zeit mit Umschrift VIRGO als auch für alle übrigen späteren mit Umschrift CHRISTE. Weshalb die altertümlich wirkende gotisierende Schriftform die lateinische Antiqua kurzzeitig im 2. Viertel des 16. Jahrhunderts ablöst, lässt sich nicht belegen. Möglicherweise kennzeichnet sie die erste Emission der Goldgulden mit Christuslegende.