A. RIECHMANN & CO., Handkatalog dieses Versteigerungshauses zur Auktion 8 vom 21.-25.10.1913, Halle/Saale.
NUMISMATIC LITERATURE
Auktion 7 vom 6.-8.5.1913, Halle/Saale.
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Auktions-Katalog VIII, enthaltend: Universalsammlung eines alten mitteldeutschen Numismatikers u. A. 4 unpaginierte, 149 S. 7 Tfn. 3333 Nrn. Vom Buchbinder durchgängig durchschossen mit Leerblättern mit seitens der Firma A. Riechmann & Co. vorgenommenen handschriftlichen Einträgen sämtlicher Vorgebote, der Namen der Vorbieter, sämtlicher Zuschlagspreise und den Namen der Käufer, aber auch früherer Auktionsvorkommen samt deren Zuschlagpreisen sowie Bemerkungen zu bislang fehlenden Nachweisen im Markt. Schwarzblauer Ganzleineneinband der Zeit, etwas berieben.
Die von einem Funktionsträger dieser Firma (vermutlich Dr. Richard Gaettens) vorgenommenen handschriftlichen Einträge bieten eine Fülle zusätzlicher Informationen zu dieser Auktion, die in ihrer Gesamtheit aus anderen Quellen nicht zu beschaffen sind. Somit stellt dieser Handkatalog ein höchst rares aussagekräftiges Zeugnis zur Geschichte des numismatischen Sammelns und des Münzenmarkts im Deutschland in den Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts dar, eine auch für die Provenienzforschung als beredte und unerlässliche Quelle heranzuziehen ist.
Den "alten mitteldeutschen Numismatiker" identifiziert Detlef Tietjen mit "Hofrat Dr. Friederich, Dresden" Carl Friederich (* 1844 in Wernigerode, † 1913 in Dresden) absolvierte sein Studium der Medizin an den Universitäten in Halle, Würzburg und Berlin. Einige Jahre nach seiner Promotion meldete er sich nach dem Ausbruch des Deutsch-französischen Krieges als Freiwilliger und leistete in der königlich-sächsischen Infanterie seinen Dienst als Arzt. Nach dem Friedensschluss blieb er der Armee treu und setzte beim 2. Königlich-Sächsischen Grenadier-Regiment in Dresden seine medizinische Tätigkeit fort, zunächst im Rang eines Stabsarztes, später befördert zum Oberstabsarzt. 1887 nahm er seinen Abschied, um am Orte fortan als Hals-, Nasen und Ohrenarzt seine Privatpraxis zu betreiben, um darüber hinaus noch vertrauensärztliche und ehrenamtliche ärztliche Aufgaben in der Stadt zu übernehmen. Einen Teil seiner freien Stunden widmete er seinen sammlerischen Vorlieben, den Münzen und Medaillen und dem Meißener Porzellan. Schon sein Vater hatte ein Spektrum antiquarischer Objekte zusammengetragen, z. B. ur- und frühgeschichtliche Fundstücke, aber auch bemalte Glasscheiben und nicht zuletzt auch Münzen, darunter einen unbestimmten kleinen Brakteatenfund aus Minsleben, den der Sohn später bearbeitete und publizierte (Jahrbuch des Numismatischen Vereins zu Dresden auf das Jahr 1911). Der Numismatischen Gesellschaft in Dresden bereits 1884 beigetreten, fand Carl Friederich inbesondere in der Kontaktpflege mit Richard Julius Erbstein Anregungen zum Ausbau seiner numismatischen Sammlung. Für die Numismatische Gesellschaft in Dresden waren Erbsteins Sachkenntnis, Motivationstalent und Kontakte solch maßgebliche Bindeglieder, dass sie sich nach dessen Tod im Jahre 1907 auflöste. Carl zählte jedoch zu denjenigen, die zur Neugründung eines solchen Sammlerkreises erfolgreich beitrugen. So entstand bereits im Folgejahr der Numismatische Verein zu Dresden, dessen Vorsitz Friederich übernahm. Seine eigene Sammlung hatte er anfangs eher breit angelegt mit einem gewissen Schwerpunkt auf die Prägungen der Wettiner, doch ließ er nach einigen Jahren vom Ausbau dieses Themas ab und legte seinen Fokus stattdessen auf andere Felder, so auf die Münzen und Medaillen der Grafen von Stolberg sowie der Grafen von Hohnstein, da er den erheblichen Forschungsbedarf für diese Gebiete erkannt hatte. Aus der intensiven Beschäftigung mit diesen Prägeständen der Harzregion resultierte seine 1911 in Dresden verlegte Arbeit "Die Münzen und Medaillen des Hauses Stolberg und die Geschichte seines Münzwesens", ein Standardwerk, dem bis heute kein gleichwertiger Ersatz an die Seite gestellt werden konnte. Überdies legte sich Friederich über die Jahre eine Kollektion gegengestempelteter Münzen vom Spätmittelalter bis zur Neuzeit zu. Deren Dokumentation im späteren Auktionskatalog sowie seine Veröffentlichung "Zur Geschichte des Kontermarkenwesens" (Jahrbuch des Numismatischen Vereins zu Dresden 1912) haben eine Grundlage für weitere Forschungen auf diesem Spezialgebiet geschaffen und werden noch in unseren Tagen vielfach herangezogen. Im Zuge seiner fortschreitenden Sammeltätigkeit und Fokussierung auf solche numismatischen Themenbereiche, die ihm erforschungswert schienen, trennte sich Carl Friederich von manchen, ihm überflüssig erscheinenden Teilen seiner Kollektionen, wie dies auch der vorliegende Katalog dokumentiert. Vertraut man den Angaben von Detlef Tietjen, so lieferte Friederich der Firma Dr. Eugen Merzbacher in München eine Sammlung herrlicher Goldmünzen für ihre Auktion vom 7.1.1891 ein (siehe unsere Kat.-Nr. 4145) und eine weitere Sammlungspartie soll der Firma Adolph Hess Nachf. für die Auktion vom 24.9.1894 und folgende Tage übergeben haben. Medaillen des 16. und 17. Jahrhunderts sowie eine Partie seiner sächsischen Münzen wurden in der Auktion vom 6.10.1896 (siehe unsere Kat.-Nr. 3819) der Firma Hess Nachf. aufgerufen. Ebenso soll Dr. Friedrich seine Porzellansammlung früh über eine Auktion veräußert haben (Blätter für Münzfreunde 49. Jg. 1914, Sp. 5473), wodurch er sich zusätzliche Geldmittel zur Intensivierung seiner numismatischen Sammeltätigkeit verschaffen konnte. Nach seinem Ableben versteigerte Albert Riechmann & Co. in Halle am 21.10.1913 Carl Friederichs verbliebene Universalsammlung, und bei Adolph Hess Nachf. gelangten seine Sammlungen Stolberg (Auktion vom 30.3.1914) und der gegengestempelten Münzen (Auktion vom 1.4.1914) zur Auflösung.