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Karl-Marx-Orden. 333er-Goldlegierung, teilweise emailliert, an Pentagonal-Bandspange, zusammen mit Interimsspange, 333er-Goldlegierung, auf der Rückseite Punze ""333"", im originalen, goldfarben bedruckten Verleihungsetui, zusammen mit der Verleihung

DEUTSCHE ORDEN UND EHRENZEICHEN
DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK (1949-1990), AUSZEICHNUNGSNACHLASS VON PROF. DR. DR. H.C. PETER ADOLF THIESSEN (1899-1990)

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Lot number 166




Estimated price: 1,500.00 €
Hammer-price / sale price: 2,400.00 €


Karl-Marx-Orden. 333er-Goldlegierung, teilweise emailliert, an Pentagonal-Bandspange, zusammen mit Interimsspange, 333er-Goldlegierung, auf der Rückseite Punze ""333"", im originalen, goldfarben bedruckten Verleihungsetui, zusammen mit der Verleihungsurkunde, datiert Berlin am 6. April 1989, mit Prägesiegel und Unterschrift von Erich Honecker, in der originalen, goldfarben bedruckten Urkundenmappe. Dazu die Publikation von Klaus H. Feder und Michael Gietzelt: Peter Adolf Thiessen. Ein Wissenschaftler in fünf verschiedenen Gesellschaftsordnungen und seine Auszeichnungen. In: Militaria. Sonderheft 2012. Melbeck 2012. BA3/01 1e; KDO9 1002.


II

Der Orden wurde Thiessen aus Anlaß seines 90. Geburtstags verliehen.

Peter Adolf Thiessen bietet ein exemplarisches Sujet für die Phaleristik – lässt sich doch an seiner Person ihr Hauptanliegen verfolgen: der Zusammenhang zwischen der Gesellschaftsordnung, in welcher ein Mensch lebt, und den ihm verliehenen Auszeichnungen. Thiessen lebte in fünf verschiedenen Staatsformen und war in drei von ihnen als Wissenschaftler erfolgreich und – im Wortsinne – ausgezeichnet.

Geboren im deutschen Kaiserreich am 6. April 1899 als Sohn eines Erbhofbauern in Schweidnitz/Niederschlesien (dem heutigen Swidnica), wurde er 1917 als ""Kriegsfreiwilliger"" einberufen und zum Flugzeugführer ausgebildet. Entgegen an anderer Stelle erhobenen Behauptungen (vgl. Eibl) sammelte er wohl durchaus persönliche Erfahrungen im Kampfeinsatz und hatte am Ende des Ersten Weltkriegs das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse und das Marine-Flugzeugführerabzeichen inne.

In der Weimarer Republik studierte Thiessen von 1919 bis 1923 Chemie in Breslau, Freiburg, Greifswald und Göttingen, wo er 1923 promovierte und eine Assistentenstelle antrat. Bereits 1922 trat er der NSDAP bei, 1923 der Göttinger Sturmabteilung (SA). Beide Organisationen verließ er jedoch wieder, als die Universitätsleitung Anstoß daran nahm (1925 bzw. 1926). Auch in Zukunft sollte er, wie Christina Eibl schreibt, politische Losungen mühelos adaptieren, um sie für sein berufliches Fortkommen zu nutzen. Nach seiner Habilitation schritt seine wissenschaftliche Karriere am Institut für anorganische Chemie voran; 1931 wurde er zu dessen Leiter, 1932 zum außerordentlichen Professor ernannt. Nachdem die Machtergreifung des Nationalsozialismus unaufhaltsam schien, trat er am 1. November 1933 trat er erneut in die NSDAP ein, am 1. Juli 1935 wurde er ""förderndes Mitglied"" der SS. Im gleichen Jahr erhielt er ein Ordinariat an der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität und wurde auf Ruf des Reichserziehungsministers Rust Direktor des Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie des Kaiser-Wilhelm-Instituts in Dahlem – entgegen den Vorstellungen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft selbst. Seine Aufgaben dort umfassten in erster Linie Untersuchungen auf dem Gebiet des Gaskampfes bzw. -schutzes und der Eigenschaften von Kunststoffen und Oberflächenstrukturen. 1939 wurde Thiessen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Es folgten in den nächsten Jahren diverse Auszeichnungen (siehe nachfolgende Aufstellung). Obwohl Thiessen selbst (z. B. in seiner unveröffentlichten Biografie) mit dem Bild des ganz der Wissenschaft verschriebenen Forschers liebäugelte, lagen seine Stärken wohl eher im Organisatorischen, was auch ein feines Gespür für die herrschenden Machtverhältnisse sowie skrupellosen Opportunismus miteinschloss.

1943, nach der Umstellung der deutschen Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik auf absolute Kriegswirtschaft, wurde Thiessen für das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse ohne Schwerter vorgeschlagen. Umstritten ist aus dieser Zeit seine Beteiligung an der Senfgas-(Lost)-Forschung. Belegt ist jedoch eine Besprechung mit SS-Mitgliedern, die an Menschenversuchen auf dem Gebiet der biologischen und chemischen Kriegsführung arbeiteten (vgl. Schmaltz).

Außerdem veröffentlichte Thiessen auch zum Thema Kernenergie. Bereits 1942 hatte er an einer Geheimsitzung des Uran-Vereins, auf der über die Zukunft der deutschen Uranforschung entschieden werden sollte, teilgenommen. 1944 wurde Göring auf seine diesbezüglichen Arbeiten aufmerksam. Als sich Deutschlands Niederlage im Zweiten Weltkrieg abzuzeichnen begann, trug Thiessen Sorge für seine persönliche und berufliche Zukunft, indem er Ende 1944 gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern wie Gustav Hertz und Manfred von Ardenne eine Zusammenarbeit mit der UdSSR anstrebte, da ""die amerikanische Wissenschaft zu weit entwickelt war, als daß sich ihm dort Aufstiegschancen eröffnet hätten"" (Eibl). Nach einigen Bemühungen konnte er im Oktober 1945 in die Sowjetunion ausreisen, wo deutsche Wissenschaftler in eigens dafür errichteten Instituten unter der Leitung von Marschall Beria an der Urantechnologie für das sowjetische Atomprogramm forschten. Hier war Thiessen mit seinem Kollektiv am erfolgreichsten. Die von diesem entwickelten Trennwandfilter zur Herstellung von Uran 235 stellen die eigentliche genuin wissenschaftliche Leistung von Thiessen dar. Dafür wurde er 1951 mit dem Stalin-Preis erster Stufe und dem Leninorden ausgezeichnet, ersterer später rückwirkend umgewandelt in den Staatspreis der UdSSR. Noch bis 1956 arbeitete er in der Sowjetunion an der Optimierung seiner Trennwandfilter.

In Vorbereitung von Thiessens Rückkehr in die DDR hob die Akademie der Wissenschaften 1955 seinen Ausschluss aus derselben auf, der 1945 wegen seiner langjährigen Mitgliedschaft in der NSDAP erfolgt war. 1956 konnte er als einer der letzten deutschen ""Geheimnisträger"" die UdSSR verlassen, laut Eibl ausgezeichnet mit dem Staatspreis der Sowjetunion der 2. Klasse. (Dieser wurde jedoch erst 1966 gestiftet. Gemeint ist wohl der Lenin-Preis, auch als Staatlicher Lenin-Preis bezeichnet.)

In der DDR fand er optimale Bedingungen für seine wissenschaftliche Arbeit vor. Er erhielt einen Lehrstuhl an der Berliner Humboldt-Universität und wurde unter anderem Mitglied des wissenschaftlichen Rates für die friedliche Nutzung der Atomenergie. Thiessen war, so Eibl, eine wichtige Integrationsfigur für die Wissenschaftspolitik der SED unter W. Ulbricht. So hielt er als parteiloser Wissenschaftler bereits 1958, zwei Jahre nach seiner Rückkehr aus der UdSSR, eine Rede auf dem V. Parteitag der SED. Auch auf mehreren Plenarsitzungen des ZK der SED referierte der parteilose Thiessen. Nach Eibl war Prof. Dr. Thiessen ""…einer der privilegiertesten Wissenschaftler der DDR, dotiert mit dem höchsten Gehalt von 15.000 Mark monatlich. …bis zum Mauerbau war ihm eine Durchfahrtsgenehmigung durch die Westsektoren gewährt worden und nach 1961 konnte er bis 1970 nahezu problemlos in den Westteil Berlins reisen. Weitere Annehmlichkeiten wie die Einfuhrgenehmigung seiner Westwagen der Marken Porsche oder Mercedes hatte Ulbricht nach persönlicher Rücksprache mit Thiessen möglich gemacht sowie die Genehmigung erteilt, eine Jagd in Damelack im Kreis Kyritz zu pachten."" Bis kurz vor seinem Tode wurden ihm – meist anlässlich eines Geburtstages – zahlreiche Auszeichnungen verliehen, unter anderem 1988 die Helmholtz-Medaille der Akademie der Wissenschaften (siehe nachfolgende Aufstellung). Die Ehrungen verdankte er wohl hauptsächlich seiner Arbeit im sowjetischen Atomprogramm, da seine wissenschaftliche Tätigkeit in der DDR allein diese kaum rechtfertigte, so Gietzelt und Feder. Thiessen war nie der SED beigetreten. Der wohl meist- und am höchsten ausgezeichnete zivile Bürger der DDR starb mit fast 91 Jahren am 5. März 1990 in Berlin.

Klaus H. Feder und Tanja Pfeiffer sei an dieser Stelle für ihre wertvolle Hilfe gedankt.

Literatur:

- Eibl, Christina: Der Physikochemiker Peter Adolf Thiessen als Wissenschaftsorganisator (1899-1990) - Dissertation, Stuttgart 1999.

- Feder, Klaus H. Gietzelt, Michael: Peter Adolf Thiessen. Ein Wissenschaftler in fünf verschiedenen Gesellschaftsordnungen und seine Auszeichnungen. In: Militaria. Sonderheft 2012. Melbeck 2012.

- Schmaltz, F.: Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus - Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie, Göttingen 2005.

Zwischen 1914 und 1990 erhielt Thiessen die folgenden Ehrungen:

Ohne Datum - Preußen: Eisernes Kreuz 1914 II. Klasse

Ohne Datum - Preußen: Eisernes Kreuz 1914 I. Klasse

Ohne Datum - Deutsches Reich: Marine-Flugzeugführerabzeichen

1934 oder danach - Deutsches Reich: Ehrenkreuz des Weltkrieges für Frontkämpfer

1939 - Deutsches Reich: Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Ausschluß 1945)

1941 - Bulgarien: St. Kliment-Medaille der Universität Sofia

November 1942 - Bulgarien: Zivilverdienstorden II. Klasse

1943 - Deutsches Reich: Vorschlag zum Kriegsverdienstkreuz 1939 I. Klasse (ohne Schwerter)

1951 - UdSSR: Stalin-Preis 1. Stufe (Kat.-Nr. 196)

08.12.1951 - UdSSR: Leninorden (Kat.-Nr. 195)

1955 - DDR: Aufhebung des Ausschlusses aus der nunmehrigen Akademie der Wissenschaften der DDR

20.11.1956 - UdSSR: Orden des Roten Arbeitsbanners (Kat.-Nr. 195)

1956 - UdSSR: Lenin-Preis

1957 - DDR: Berufung zum Vorsitzenden des Beirates für naturwissenschaftlich-technische Forschungen beim Ministerrat der DDR (Forschungsrat)

25.07.1958 - DDR: Ernennung zum Mitglied des Wissenschaftlichen Rates für die friedliche Nutzung der Atomenergie

07.10.1958 - DDR: Deutscher Nationalpreis 1. Klasse für Wissenschaft und Technik (Kat.-Nr. 187

06.04.1959 - DDR: Orden ""Banner der Arbeit"" (Kat.-Nr. 182)

08.05.1959 - DDR: Goldene Ehrennadel der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) (Kat.-Nr. 198)

02.10.1959 - DDR: Ernennung zum Ehrenmitglied in der Kammer der Technik (KdT), verbunden mit der Verleihung der Ehrennadel (Kat.-Nr. 198)

07.10.1959 - DDR: Vaterländischer Verdienstorden der DDR in Gold (Kat.-Nr. 181)

1959 - DDR: Ehrendoktorwürde der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

1960 - DDR: Ernennung zum Mitglied des Staatsrates der DDR (bis 1963)

01.05.1961 - DDR: Auszeichnung der Akademie der Wissenschaften als Aktivist des Siebenjahrplanes (Kat.-Nr. 198)

28.12.1963 - UdSSR: Umwandlung des Stalin-Preises in und rückwirkende Verleihung des Staatspreises der UdSSR (Kat.-Nr. 196)

06.04.1964 - DDR: Auszeichnung als Hervorragender Wissenschaftler des Volkes (Kat.-Nr. 180)

22.12.1965 - DDR: Ernennung zum Ehrenvorsitzenden des Forschungsrates der DDR

06.02.1966 - UdSSR: Berufung zum Auswärtigen Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR (Kat.-Nr. 176)

06.04.1969 - DDR: Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold (Kat.-Nr. 175)

07.04.1969 - DDR: Artur-Becker-Medaille der FDJ (Kat.-Nr. 198)

12.05.1970 - UdSSR: Medaille zum 100. Geburtstags Lenins (Kat.-Nr. 174)

1973 - DDR: Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität Berlin

26.04.1974 - DDR: Orden ""Stern der Völkerfreundschaft"" in Gold (Kat.-Nr. 172)

06.04.1979 - DDR: Orden ""Großer Stern der Völkerfreundschaft"" (Kat.-Nr. 170)

06.04.1979 - UdSSR: Orden der Völkerfreundschaft (Kat.-Nr. 171)

07.10.1979 - DDR: Medaille zum 30. Jahrestag der Gründung der DDR (Kat.-Nr. 198)

01.07.1981 - DDR: Helmholtz-Medaille der Akademie der Wissenschaften (Kat.-Nr. 169)

06.04.1984 - DDR: Medaille zum Ehrentitel ""Held der Arbeit"" (Kat.-Nr. 168)

01.07.1988 - DDR: Ehrenspange der Akademie der Wissenschaften der DDR (Kat.-Nr. 167)

1989 - DDR: Goldene Urkunde für 50-jährige Mitgliedschaft in der Akademie der Wissenschaften (unter Anrechnung der Zeit seines Ausschlusses)

06.04.1989 - DDR: Karl-Marx-Orden (Kat.-Nr. 166)

07.10.1989 - DDR: Ehrenmedaille zum 40. Jahrestag der DDR (Kat.-Nr. 198)