Dreifaltigkeitsmedaille
11. January 2019 16:00
Hans Reinhart der Ältere gehört zu den außergewöhnlichsten Künstlern des 16. Jahrhunderts. Abseits der bekannten Zentren deutscher Medaillenprägekunst – Nürnberg und Augsburg – schuf er innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums (1535/1545) meisterhafte Medaillen mit den Porträts seiner bedeutenden Zeitgenossen und mit religiös-biblischen Bezügen. Dabei ist über den Lebensweg dieses Künstlers nur wenig bekannt: Vermutlich um 1510 wurde er in Dresden (oder Torgau) geboren und ist 1539 als Bürger von Leipzig schriftlich bezeugt. Dort wurde ihm die Aufnahme in die Gold- und Silberschmiedezunft zunächst mit dem Argument verweigert, er sei nur ein "Tischler" und "Groschengießer". So musste Hans Reinhart zunächst eine fünfjährige Goldschmiedelehre absolvieren.
Bis zu seinem Tod im Jahre 1581 schuf er wenigstens 26 durch Signatur gesicherte Arbeiten. Weitere 30 Medaillen lassen sich ihm oder seiner Werkstatt stilistisch zuordnen. In den 1530er Jahren hat Reinhart darüber hinaus als dekorativer Holzbildhauer gearbeitet. Offensichtlich beherrschte er also sowohl das Handwerk des Holzschnitzers wie das des Gold- und Silberschmiedes. Seine meist mit dem Monogramm "HR" signierten Arbeiten gestaltete er wiederholt nach Bildern des Malers und Graphikers Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553).
Die Dreifaltigkeitsmedaille von 1544 stellt nicht nur das Hauptwerk des Renaissancekünstlers dar, sondern bildet zugleich auch den krönenden Abschluß seines Medaillenschaffens, das wohl mit der Aufnahme in die Leipziger Goldschmiedezunft 1547 endete.
Moritz von Sachsen. Ausschnitt aus einem Gemälde von Lucas Cranach. Staatliche Kunstsammlungen Dresden.
Dieses außergewöhnliche Schaustück thematisiert die besonders von Herzog Moritz vor dem Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges (1546-1547) betriebenen Bestrebungen, eine Einigung zwischen Katholiken und Protestanten herbeizuführen, weshalb man annimmt, dass es sich um eine Auftragsarbeit des 1539 zum Protestantismus übergetretenen Moritz handeln könnte. Darstellung und Text sind jedenfalls klug und theologisch äußerst anspruchsvoll überlegt.
Die große Schrifttafel der Rückseite, die zwei Engel zwischen sich halten, greift das Athanasische Glaubensbekenntnis auf. Dieses ist bis heute neben dem apostolischen und dem nikäischen eines der drei großen Glaubensbekenntnisse der katholischen Kirche. Im Gegensatz zu den beiden anderen enthält es aber keine umstrittenen Glaubenspositionen wie die „Gemeinschaft der Heiligen“ oder die „heilige, katholische und apostolische Kirche“. Damit hätte das Athanasianische Glaubensbekenntnis zu einem Ausgangspunkt für eine Einigung der Bekenntnisse werden können.
Und so verwendet Hans Reinhart für die Schrifttafel auf der Rückseite seiner Medaille Ausschnitte aus dem Athanasischen Glaubensbekenntnis, die Tentzel folgendermaßen übersetzt: "Dies ist der rechte christliche Glaube, daß wir einen einigen Gott in drei Personen und drei Personen in einiger Gottheit ehren. Eine andere Person ist der Vater, eine andere der Sohn, eine andere der Heilige Geist. Aber der Vater, Sohn und Heiliger Geist sind (hier EST = "ist") einiger Gott, gleich in der Herrlichkeit, gleich in ewiger Majestät.“ Es folgt ein Lobgesang auf diese Dreieinigkeit, der wahrscheinlich mit der Antiphon „Oh, Du hochgelobte Einigkeit“ zusammenhängt: „Oh, Du hochgelobte Einigkeit. Oh, Du anbetungswürdige Dreieinigkeit. Durch dich sind wir erschaffen, Du wahre Ewigkeit. Durch Dich sind wir erlöst, Du höchste Liebe. Dich beten wir an, Du Allmächtiger. Dir singen wir. Dir sei Lob und Ehre."
Die Vorlagen zur Vorderseite entstammen der Graphik und Bauplastik des sächsischen Raumes zu Beginn des 16. Jahrhunderts: Sowohl ein Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553) aus Wittenberg um 1512, als auch die "Schöne Tür" an der Annenkirche in Annaberg und das Portal der Schlosskirche von Chemnitz von Hans Witten (um 1470/80-nach 1522) zeigen das Motiv der Vorderseite in leicht abgewandelter Form. Wahrscheinlich kannte Hans Reinhart als Holzschnitzer diese Werke.
Der Bildtypus der Vorderseite wird seit dem 19. Jahrhundert von Kunsthistorikern als Gnadenstuhl bezeichnet. Er präsentiert Gottvater thronend mit Szepter und Weltkugel, vor sich den gekreuzigten Christus haltend, auf den der hl. Geist in Gestalt einer Taube herabschwebt. Die Szene ist umgeben von Engeln und Engelsköpfen. Bemerkenswert ist hier die innovative Technik des Künstlers, der die durch den Guss nicht herzustellenden Teile der Medaille getrennt anfertigte und nach dem Guss anlötete. Die feinen Locken des Bartes sind zum Beispiel so entstanden.
Die Beliebtheit der Dreifaltigkeitsmedaille lässt sich anhand der zahlreichen Nachahmungen und Nachgüsse ablesen. Das bei Künker angebotene Stück mit der Jahreszahl 1544 stammt aus der ersten Serie. Es gibt außerdem Stücke mit den Jahreszahlen 1556, 1561, 1566, 1568 und 1574. Hans Reinhart der Ältere lebte bis 1581, spätere Nachgüsse dürften aus der Werkstatt seines ältesten Sohnes Hans Reinhart d. J. (gest. 1622) stammen oder auf die Initiative privater Gießer zurückgehen. Viele der bekannten Exemplare unterscheiden sich in der Ausführung leicht voneinander.
Der Wunsch nach einer friedlichen Einigung der Konfessionen war eben auch in den Generationen nach Luther ein zentrales Thema.