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Ein Plädoyer für den Goldstandard: Die Prägungen des Josef Wild

27. February 2019 10:17


Das Osnabrücker Auktionshaus Künker versteigert am 15. März 2019 eine Sammlung, die selbst heute noch von höchster währungspolitischer Brisanz ist. Josef Wild versuchte in den 1930er Jahren, seine Mitbürger mit eigenen Goldmünzen für eine Rückkehr zum Goldstandard zu gewinnen. Wie aktuell sein Bemühen auch heute noch ist, sieht man an der Tatsache, dass in den späten 1990er Jahren der Amerikaner Bernard von NotHaus mit seinem Liberty Dollar exakt das Gleiche tat. Beide Männer versuchten, der inflationsgefährdeten staatlichen Fiat-Währung eine wertbeständige private Goldmünze an die Seite zu stellen.

Baukosten einer in der Hochinflationszeit entstandenen Brücke. Foto: ReinerausH, cc-by-sa 3.0.

Aber von Anfang an. Als im Jahr 1915 in der Münzstätte Berlin das letzte preußische 20-Mark-Stück geprägt wurde, kostete der Zentner subventionierter Kartoffeln in der Stadt Münster 4,70 Mark. 1918 zahlten hungrige Münsteraner auf dem Schwarzmarkt bereits 150 Mark für einen Zentner angestoßener Falläpfel. 1 Pfund Speck kostete damals 40, ein Pfund Butter 26 Mark.

Man sieht daran deutlich, dass die deutsche (Gold-)Mark in den vier Jahren des Krieges an Wert verloren hatte, auch wenn sich das bei offiziellen Preisen und Löhnen zunächst kaum bemerkbar machte. Und die alten Goldmünzen waren natürlich völlig aus dem Umlauf verschwunden. Die einst auf dem Goldstandard beruhende deutsche Währung war eine Fiat-Währung geworden, eine Währung, deren Glaubwürdigkeit einzig auf der Reputation des Deutschen Staates beruhte.

Und mit dieser Reputation stand es im November des Jahres 1918 nicht zum Besten. Das Reich hatte etwa 150 Milliarden Mark Schulden. Zum Vergleich: Man schätzte das gesamte Volkseinkommen 1919 auf 142 Milliarden Mark. Dazu kamen immense Reparationen. Um wenigstens die inländischen Kosten zu decken, warf die Regierung die Notenpresse an. Ein immenser Wertverlust war die Folge: Wer im August 1914 runde 1.000 Mark besessen hatte, verfügte - gemessen an der Kaufkraft - im Oktober des Jahres 1921 noch über 10, im Oktober 1922 über eine Mark. Damit waren die Vermögen verschwunden, ehe die eigentliche Hyperinflation den Preis für eine Briefmarke von 15 Pfennigen auf eine Milliarde Mark schnellen ließ.

Das Ende der Hyperinflation kam mit der deutschen Rentenmark. Für die meisten Bürger beruhte sie auf einem unbegreiflichen Zaubertrick: Am 15. Oktober 1923 wurde die deutsche Rentenbank gegründet. Als Guthaben überschrieb man ihr eine Art Steuer: Alle deutschen Immobilien, die ja nicht unter der Inflation gelitten hatten, wurden mit einer Grundschuld von insgesamt 3,2 Milliarden Rentenmark belegt. Für diese Grundschuld mussten die Grundbesitzer Zinsen zahlen - und ein Teil dieser Zinsen wurde an die Besitzer von Inhaberschuldverschreibungen ausgezahlt. Der Zaubertrick funktionierte Die als Banknoten kursierenden Inhaberschuldverschreibungen wurden von der gesamten Bevölkerung als sichere Währung akzeptiert.

100 Goldmark 1927. Vermutlich das dritte bekannte Exemplar. Vorzüglich. Schätzung: 5.000,- Euro. Aus Auktion Künker 321 (15. März 2019), Nr. 6820.

Oder sagen wir besser, fast die gesamte Bevölkerung akzeptierte sie, denn ein kleiner Goldschmied in Nürnberg nahm den Kampf gegen die neue Fiat-Währung auf.

Wir wissen nicht allzu viel über jenen Josef Wild, der nichts wissen wollte von den Währungsmachenschaften der Obrigkeit. Die meisten Unterlagen, die uns mehr über sein Leben verraten könnten, sind während des Zweiten Weltkriegs verbrannt. Wir kennen sein Geburtsdatum, den 13. März 1872. Uns ist außerdem mündlich überliefert, dass er klein und untersetzt war und im Jahr 1897 die Meisterprüfung als Goldschmiedemeister abgelegt hatte. Dazu verfügen wir über ein Porträt, das er uns selbst auf seinen privaten 100 Goldmark von 1927 hinterlassen hat.

Deutsches Reich. Sachsen. 5 Mark 1877. Fast Stempelglanz. Schätzung: 750,- Euro. Aus Auktion Künker 321 (15. März 2019), Nr. 7328.

Josef Wild war mit der Goldmark des Deutschen Kaiserreichs aufgewachsen. Er wollte sich nicht damit abfinden, dass die Papiermark der Hyperinflation nicht durch eine neue Goldwährung ersetzt wurde, sondern durch eine weitere Fiat-Währung, die genauso inflationsanfällig war wie die eben abgeschaffte. Er forderte werthaltiges Geld.

5 Goldmark 1923. Fast Stempelglanz. Schätzung: 250,- Euro. Aus Auktion Künker 321 (15. März 2019), Nr. 6811.

Und da der deutsche Staat keines zur Verfügung stellte, ließ er auf eigene Kosten welches prägen.

10 Goldmark 1923. Fast Stempelglanz. Schätzung: 300,- Euro. Aus Auktion Künker 321 (15. März 2019), Nr. 6810.

Die Prägungen der ersten Serie haben alle die Jahreszahl 1923 gemeinsam. Sie bestehen aus „Feingold“, was Wild durch die 1.000 unter dem Reichsadler zum Ausdruck brachte. Denn „das wertvollste Gold ist reines Gold, kursfähiges Gold genannt; dasselbe muss aber unbedingt den Feingehaltsstempel 1000 und den Stempel der Herkunft aufweisen können.“

1 Goldmark o. J. (1923). Vorzüglich bis Stempelglanz. Schätzung: 500,- Euro. Aus Auktion Künker 321 (15. März 2019), Nr. 6816.

Goldmünzen, die diesen Vorgaben entsprachen, sollten, so Josef Wild, absolut inflationssicher und deshalb der optimale Wertmesser sein, der ein gesichertes Wirtschaften erlaubte.

10 Goldmark o. J. (1924). Vorzüglich. Schätzung: 300,- Euro. Aus Auktion Künker 321 (15. März 2019), Nr. 6819.

Auf welchem Gewichtsstandard die Prägung beruhte, das erfahren wir aus seiner Broschüre „Das Geheimnis der Umrechnung von Goldmark-Werten nach dem Dollarstand in Papiergeld“. 1 Kilo Feingold setzte er mit 2.800 Goldmark gleich.

Daraus ergeben sich folgende Gewichte:

100 Goldmark  35,700 Gramm
50 Goldmark 17,850 Gramm
25 Goldmark 8,925 Gramm
20 Goldmark 7,140 Gramm
10 Goldmark 3,570 Gramm
1 Golddukat 3,570 Gramm
5 Goldmark 1,785 Gramm
3 Goldmark 1,071 Gramm
2 Goldmark 0,714 Gramm
1 Goldmark 0,357 Gramm
50 Goldpfennig 0,1785 Gramm

 

50 Goldmark 1927. Vorzüglich bis Stempelglanz. Schätzung: 5.000,- Euro. Aus Auktion Künker 321 (15. März 2019), Nr. 6821.

Für Josef Wild waren seine Münzen eine Frage der Überzeugung. Er machte kein Geschäft damit, im Gegenteil. Carl-Friedrich Gebert, Münzhändler und Vorsitzender des Vereins für Münzkunde in Nürnberg in den Jahren zwischen 1882 und 1919, musste Josef Wild immer wieder finanziell unter die Arme greifen, meistens indem er ihm bei einem finanziellen Engpass seine Goldmünzen abkaufte.

Dieser Carl-Friedrich Gebert machte in den Numismatischen Mitteilungen des Nürnberger Münzvereins vom 16. Oktober 1924 auch Reklame für die Prägungen: „Ein einfacher Handwerksmeister, von Liebe zu seinem Beruf überschäumend und sein Fach durch und durch verstehend, der Goldschmiedemeister Josef Wild in Nürnberg hat angeregt durch die Einführung der Goldmark und durch das Studium der Prägung der Lämmleindukaten versucht, einmal in Natura vorzuführen, was eigentlich eine Goldmark ist.“

Tatsächlich prägte Josef Wild in diesem und im folgenden Jahr Lämmleindukaten, die einer Goldmark bzw. einem Vielfachen entsprachen. Sie sind extrem selten, so selten, dass sie nicht einmal in der bei Künker angebotenen Sammlung zu finden sind.

2 Golddukaten 1927. Fast Stempelglanz. Schätzung: 1.000,- Euro. Aus Auktion Künker 321 (15. März 2019), Nr. 6823.

Aus dem Jahr 1927 haben wir gleich eine Fülle an Ausgaben. Josef Wild feierte in diesem Jahr sein Jubiläum 30 Jahren Meister des Goldschmiede-Handwerks. Wahrscheinlich sind die Stücke von 1927 von Wild selbst auf einer eigenen Prägepresse hergestellt. Er hatte nämlich zu einem unbekannten Zeitpunkt eine ausrangierte Prägepresse von der Firma C. Balmberger erworben, die seine ersten Münzen hergestellt hatte.

20 Goldmark 1928. Vorzüglich bis Stempelglanz. Schätzung: 2.000,- Euro. Aus Auktion Künker 321 (15. März 2019), Nr. 6824.

Irgendwann im Verlauf der Jahres 1928 muss Josef Wild begonnen haben, alte Goldmünzen des Kaiserreichs nachzuprägen. Damit konnte der Staat endlich einen lästigen Störenfried loswerden. Der Nürnberger Goldschmied wurde 1929 wegen Falschmünzerei zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, und das obwohl seine eigenen Münzen natürlich einen wesentlich höheren intrinsischen Werk aufwiesen als alles Geld, das von der deutschen Regierung herausgegeben wurde. Wild hatte damit nie Täuschungsabsichten! Von Falschmünzerei zu sprechen, war also nicht korrekt.

Der inzwischen 57jährige musste trotzdem ins Gefängnis. Er sollte es nie wieder verlassen. Am 31. März 1932 verstarb Josef Wild, der werthaltigeres Geld gemacht hatte als der deutsche Staat.

Ach ja, auch Josef Wilds Nachfahre, Bernard NotHaus, wurde 2011 für seine Ausgabe von der goldenen Liberty Dollars verurteilt. Er erhielt am 2. Dezember 2014 eine Freiheitsstrafe von drei Jahren auf Bewährung. Ein wesentlich milderes Urteil als die über 20 Jahre, die seine ersten Richter über ihn verhängt hatten!