Bloody Mary
24. February 2023
Defensatrix Fidei, Verteidigerin des Glaubens, so nennt sich Maria von England, auf einer Goldmedaille, die von Jacopo da Trezzo um 1554 geschaffen wurde und die am 24. März 2023 mit einer Schätzung von 600.000 Euro versteigert wird. Verteidiger des Glaubens, dieser Titel ist nicht ungewöhnlich. Seit Heinrich VIII. tragen ihn alle Herrscher von England. Papst Leo X. verlieh ihn Heinrich wegen dessen strikter Verurteilung des Protestantismus. Es war also nicht der Glaube, der Heinrich VIII. dazu veranlasste, für England eine eigene Kirche aufzubauen.
Heinrich VIII., umgeben von seiner Familie. Von links nach rechts: Maria, Edward VI., Heinrich VIII., Jane Seymour, Elizabeth, entstanden um 1545.
Die Ausgangslage: Das Liebesleben Heinrichs VIII.
Wie alle Herrscher zur Zeit der Renaissance war auch Heinrich VIII. eine Vernunftehe eingegangen. Seine Gemahlin hieß Katharina und war die Tochter der Isabella I. von Kastilien und des Ferdinand II. von Aragon. Damit war sie gleichzeitig die Tante Karls V., und das erwies sich als ein Problem, als Heinrich genug von ihr hatte. Seine jüngste Flamme Anne Boleyn weigerte sich nämlich, ohne kirchliche Zeremonie sein Bett zu teilen. Heinrich VIII. setzte daraufhin Himmel und Hölle in Bewegung, damit Papst Clemens VII. seine Ehe auflösen möge.
Solche päpstlichen Gefälligkeitseheauflösungen waren damals eigentlich gang und gäbe. Aber nach dem Sacco di Roma von 1527 durch die kaiserlichen Truppen traute sich Clemens VII. einfach nicht, den brüchigen Frieden mit Karl V. aufs Spiel zu setzen, nur damit Heinrich Katharina loswurde und seine Anne Boleyn bekam.
Also keine Scheidung mit päpstlichem Einverständnis. Dann eben ohne. Heinrich VIII. sagte sich von Rom los, gründete die englische Staatskirche und setzte einen neuen Erzbischof von Canterbury als Kirchenprimas ein. Der erklärte am 23. Mai 1533 pflichtschuldigst die Ehe des Monarchen mit Katharina von Aragon für aufgelöst.
Kinder, Konfessionen und ein bisschen Erbrecht
Eine Eheauflösung ist keine Scheidung. Bei einer Eheauflösung wird die Ehe für ungültig erklärt, also ist jedes Kind, das im Rahmen dieser Ehe geboren wurde, ein unehelicher Bastard. Die 17-jährige Maria, Tochter von Heinrich VIII. und Katharina von Aragon, verlor dadurch alles. Hatten vorher Könige um ihre Hand angehalten, sah sie sich jetzt ihres Ranges und ihres Besitzes beraubt und zur Hofdame ihrer frisch geborenen Halbschwester Elizabeth degradiert. Jeder Kontakt mir der eigenen Mutter war ihr streng verboten. Nicht einmal an ihrem Begräbnis im Januar 1536 durfte sie teilnehmen.
Doch auch Anne Boleyn fiel in Ungnade. Sie war nicht imstande, einen männlichen Thronerben zu liefern. Noch eine Ehe für ungültig erklären lassen? Das ging nicht. Und so spannen einige Adlige eine Intrige, die es Heinrich VIII. ermöglichte, Anne Boleyn hinrichten zu lassen.
Der König hatte schließlich schon wieder eine neue Geliebte im Auge, die sich ebenfalls weigerte, ihm ohne Ehegelübde zu Willen zu sein: die streng katholische Jane Seymour. Sie gebar dem König endlich den ersehnten Thronfolger und erreichte, dass Maria wieder in Gnaden aufgenommen wurde, aber nicht ohne dass diese zähneknirschend unterschrieben hatte, dass die Ehe ihrer Mutter ungültig gewesen und sie deshalb ein Bastard sei. Dafür erhielt sie ihren Platz in der Thronfolge: Sollte Jane Seymours Sohn Edward ohne Erben sterben, würde erst Maria, dann Elizabeth, dann ein Mitglied der Adelsfamilie der Brandons, Nachkommen von Heinrichs jüngerer Schwester, die Macht erben.
Die Neun-Tage-Königin
1547 bestieg Edward im Alter von neun Jahren den Thron. Natürlich traf er keine Entscheidungen. Dafür gab es den protestantisch dominierten Kronrat. Und der geriet in große Verlegenheit, als Edward 1553 wohl an Tuberkulose erkrankte. Wir müssen uns bewusst machen, dass Mitte des 16. Jahrhunderts England keinesfalls ein protestantisches Land war. Die Reformation hatte sich vor allem unter den Klerikern und einigen Adelsfamilien verbreitet. Und natürlich ging es nicht nur um die Konfession, sondern auch um einträgliche Posten. Seit dem Konfessionswechsel wurden sie von Protestanten bekleidet. Durch eine unter Maria drohende Rekatholisierung würden sie diese an Katholiken verlieren.
Bis heute ist umstritten, ob der sechzehnjährige König auf dem Sterbebett selbst auf die Idee kam, die Thronfolge zu ändern, oder ob Lordprotektor John Dudley die Finger im Spiel hatte. Immerhin verheiratete der die von Edward benannte Erbin Jane Grey in Windeseile mit seinem eigenen Sohn und schickte Soldaten, um Maria zu verhaften.
Die war gewarnt, hatte sich bereits wenige Tage zuvor nach Norfolk zurückgezogen. Am 6. Juli 1553 starb Edward. Am 9. Juli setzte Maria den Kronrat in Kenntnis, dass sie die Herrschaft über England angetreten habe. Am 10. Juli ließ der Kronrat Jane Grey zur Königin von England ausrufen und setzte sein Heer in Marsch. Gleichzeitig fuhr er die Propagandamaschine hoch. Pamphlete appellierten an die Fremdenfeindlichkeit der Londoner, indem sie Maria beschuldigten, England den „Papisten und Spaniern“ auszuliefern.
Doch der Kronrat hatte die öffentliche Meinung falsch eingeschätzt. Maria zog an der Spitze ihres Heeres im Triumphzug nach London. Bereits am 19. Juli hatte sie den Krieg gewonnen. Ihre Gegnerin Jane Grey ging als Neun-Tage-Königin in die Geschichte ein.
Antikatholische Propaganda: In der Mitte überreicht Heinrich VIII. das Schwert an den Sohn Edward VI. Links sind Maria und Philipp abgebildet, die den Gott des Krieges hereinführen. Von rechts kommt Elizabeth, hinter ihr die Göttin des Friedens und des Überflusses. Das Bild wurde als Geschenk für den Leiter des elizabethanischen Geheimdienstes Francis Walsingham angefertigt.
Bloody Mary
Maria war 17 Jahre alt, als ihr Vater Anne Boleyn heiratete. Damit war es politisch nicht opportun, ihr einen Ehemann zu suchen. Deshalb war sie bei ihrer Thronbesteigung immer noch unvermählt, und das im Alter von 37 Jahren. Ihr blieb nur noch ein winziges Zeitfenster, um den ersehnten Thronerben zu gebären.
Deshalb handelte sie übereilt und unüberlegt, als sie auf die Avancen des spanischen Botschafters einging. Der sah bereits die Vereinigung von England mit dem Habsburger Reich voraus und überredete Kronprinz Philipp II., das Opfer zu bringen und Maria zu ehelichen. Ein Schreckensszenario für die protestantischen Adligen Englands.
Ende Oktober 1553 stand fest, dass Maria und Philipp heiraten würden. Anfang November war Maria mit der Wyatt-Verschwörung konfrontiert, die Elizabeth an die Macht bringen wollte. Maria schlug sie nieder und ließ 90 Beteiligte hinrichten. Sie waren die ersten Protestanten, die „für ihren Glauben“ starben. Unter Maria wurden 284 Protestanten verbrannt. Sie trägt deshalb den Beinamen Bloody Mary. Dass unter ihrer Nachfolgerin Elizabeth 190 Katholiken hingerichtet wurden, wird dagegen gerne vergessen.
Eine Ehe und eine Medaille
Am 25. Juli 1554 heiratete Philipp II. von Spanien die Königin von England in der Kathedrale von Winchester. Anlässlich dieser Hochzeit entstand eine Medaille, die am 24. März 2023 im Rahmen unserer Frühjahrs-Auktionen in Osnabrück versteigert wird.
Ihre Rückseite zeigt eine komplexe Darstellung, die Jacopo da Trezzo entwarf. Dieser Mailänder Medailleur reiste im Auftrag Philipps II. mit nach England. Wir wissen dies wegen einer kleinen Notiz, die besagt, dass ihn Philipp beauftragte, „seiner Braut Maria Tudor Juwelen von unschätzbarem Wert zu überreichen“.
Da Trezzo schuf anlässlich der Hochzeit auch für Philipp II. eine Medaille. Sie zeigt den Sonnengott Apollon, der in seinem Wagen das Meer überquert, um vom Festland auf die Insel zu kommen. Das Motto lautete: Er wird alles erhellen.
Für Maria wählte er die Personifikation des Friedens, die mit Apollon durch die Strahlenkrone verbunden ist. Sie hält zum Zeichen des siegreichen Friedens Palm- und Ölzweig in der rechten Hand. Mit der Fackel in ihrer anderen Hand setzt sie einen Haufen von Waffen in Brand. Fröhliche Menschen eilen herbei, um Zeuge zu sein. Im Hintergrund sehen wir den Tempel des römischen Gottes Ianus. Seine geschlossenen Tore galten seit der Antike als Symbol des Friedens.
Zur Linken Marias plagen Sturm und Blitze die Menschen. Sie fliehen zu ihr, die – wie ihr Motto sagt – den Blinden das Sehen und den Ängstlichen die Ruhe schenken will. Wie sie das tun will, dafür steht der Kubus zu ihren Füßen. Er ist als Eckstein Symbol der Dauerhaftigkeit; der darauf dargestellt Handschlag steht für die Einigkeit; die Waage für die Gerechtigkeit. Das Wasser dürfte den Ort des Friedens als Insel kennzeichnen.
Porträt der Maria von England, gemalt 1554 von Anthonis Mor van Dashorst. Museo del Prado.
Bemerkenswert ist auch das Porträt, das auf der Vorderseite zu sehen ist. Es ähnelt verblüffend einem Gemälde, das Anthonis Mor van Dashorst von ihr anfertigte. Er galt als Lieblingsmaler der spanischen Königsfamilie und reiste mit Philipp II. nach England. Dort fertigte er nicht nur dieses Porträt an, sondern wirkte auch an der künstlerischen Ausgestaltung des Hochzeitstages mit.
Lange hat man angenommen, dass Jacopo da Trezzo dieses Porträt als Vorlage für seine Münzdarstellung nutzte. Tatsächlich dürfte es wahrscheinlicher sein, dass beide Künstler gleichzeitig ihre Skizzen von der im Staatskleid Modell sitzenden Königin anfertigten.
Während diese Medaille an sich nicht so selten ist – Abschläge in Blei, Bronze und Silber existieren in einigen Ausführungen –, kennt die Numismatik lediglich ein weiteres Exemplar in Gold, das heute im British Museum aufbewahrt wird.
Wir wissen, dass Medaillen bei so speziellen Anlässen in vielen verschiedenen Metallen und Gewichten verteilt wurden, wobei sich der Wert des Stücks am Rang des Beschenkten orientierte. Wir wissen ferner, dass Antoine de Granvelle, Staatssekretär des Kaisers, „nur“ eine silberne Version der Medaille erhielt. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass die goldenen Exemplare der Medaillen für königliche Hände reserviert waren, vielleicht stammt dieses Stück ja direkt aus dem Besitz von Maria, Philipp oder Karl V.
Fünf Jahre
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Mit der Heirat des Spaniers verlor Maria den Rückhalt im eigenen Volk. Ihr Mann war ihr keine Hilfe. Frustriert darüber, dass er keinen Einfluss auf die Staatsgeschäfte hatte und die alternde Maria nicht in der Lage schien, einen Thronerben zu produzieren, glänzte er durch Abwesenheit.
Eine feindliche Umgebung, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Sehprobleme, Depression und politische Sorgen taten ein Übriges: Fünf Jahre nach ihrer Thronbesteigung starb Maria Tudor am 6. November 1558. Nachfolgerin wurde Elizabeth I. – wie ihr Philipp II. schrieb – auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin. Er hoffe auf gute Zusammenarbeit, ließ er sie im gleichen Schreiben wissen.